Dämmerschlaf

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Von

**Edith Wharton – Dämmerschlaf**

Übersetzerin: Andrea Ott

 

**Inhaltsangabe:**  

Die Mitglieder der High Society in New York der 1920er Jahre – oder wer sich dafür hält – haben viel zu tun. Da bleibt zwischen Maniküre, Theater, Psychoanalyse, Wohltätigkeit und Partys nicht mehr viel Zeit für die Familie übrig. Genauso ergeht es Pauline Manford – ohne Terminvereinbarung kann sie ihre Kinder kaum noch sehen. Pauline ist fest entschlossen, ihren Platz in der Gesellschaft zu wahren und wenn möglich sogar noch zu verbessern, dabei ist ihr ziemlich egal, dass sie sich für sich widersprechende Themen engagiert – z. B. für freie Mutterschaft und kurz darauf für Geburtenkontrolle. Ihre Kinder Jim, der mit der schönen Lita verheiratet ist, und Nona beginnen schon selbst damit, ihr eigenes Hamsterrad der Verpflichtungen zu bauen – nur Zeit für Glücklichsein scheint die ganze Familie nicht zu haben. Als es in der Ehe von Jim und Lita kriselt, wird die Fassade brüchig, denn wie soll man die unglaubliche Langeweile geschickt umdeuten, wegen der Lita die Scheidung einreichen will?

 

**Der erste Satz** : 

Miss Bruss, die perfekte Sekretärin, empfing Nona Manford an der Tür zum Boudoir ihrer Mutter (dem „Büro“, wie es Mrs Manfords Kinder nannten) mit einer Geste liebenswürdigster Zurückweisung.

 

**Meine Meinung zum Buch** : 

Das Buch wurde 1927 geschrieben und mit der Geschichte wollte Edith Wharton der New Yorker Gesellschaft einen Spiegel vorhalten. Einen Spiegel, in dem man die Oberflächlichkeit der vermeintlich so nützlichen und gesellschaftlich wertvollen Komitees und Organisationen erkennen kann. Ob sie das geschafft hat und ob das Bild der damaligen Gesellschaft wahrheitsgetreu dargestellt ist, weiß ich nicht, aber aus heutiger Sicht spiegelt das Buch die deprimierende Leere eines angeblich so ausgefüllten Daseins wider. Parallelen zur heutigen Zeit finden sich genügend – auch heute noch ist es hoch angesehen, sich für „nützliche“ Dinge zu engagieren, je mehr desto besser. 

Die Personen bleiben – wie die Geschichte – eher flach charakterisiert, was aber hier insgesamt sehr gut passt. Am Anfang konnte ich mit den oberflächlich gezeichneten Figuren noch wenig anfangen, aber mit der Zeit lernt man sie kennen und zum Schluss hatte ich, trotz ihres Reichtums und Glamours, Mitleid mit ihnen. Denn wirklich Glück findet niemand in der Geschichte, auch nicht Nona, die am ehesten noch durchschaut, wohin ihr Leben steuert, wenn sie nichts ändert. 

Vom Stil her lässt sich das Buch sehr gut lesen, es könnte auch heute geschrieben worden sein. Lediglich die überflüssigen Fußnoten haben mich etwas gestört – bis ich sie komplett ignoriert habe. Trotzdem: man sollte die heutigen Leser nicht für so dumm halten, dass sie z. B. für den Begriff „zweites Gesicht“ eine Erklärung brauchen. 

Meine Bewertung: Buchtipp! 

 

Viele Grüße von Annabas  ![Lächelnd](http://www.vorablesen.de/sites/all/libraries/tinymce/jscripts/tiny_mce/plugins/emotions/img/smiley-smile.gif "Lächelnd")