Die Beichte einer Nacht

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monal Avatar

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>Die Beichte einer Nacht<
So reduziert und anders, einfach bemerkenswert.
Der Roman erschien schon 1930. Geschrieben von der der niederländischen Autorin, Politikerin und Frauenrechtlerin Marianne Philips (geboren 1886 in Amsterdam), die für die Sozialdemokratische Arbeitspartei 1919 als eine der ersten Frauen zum Ratsmitglied der Niederlande gewählt wurde. Für mich ist das allein schon bemerkenswert... aber ihr Buch... wahnsinn:

Geschrieben ist der Roman als Monolog der in einer psychiatrischen Klinik untergebrachten Patientin Heleen.
Eines Nachts schildert Sie einer Nachtschwester ihre Lebensbeichte, die von gesellschaftlichen Aufstiegen aus der Arbeiterschicht, den tiefen Fall und ihrem komplizierten Verhältnis zu sich selbst und ihrer jüngsten Schwester geprägt ist. Das ganze noch poetisch ausgeschmückt durch viele Unglücke und Ängste....

Zu beginn hatte ich bezüglich der Monologform einen nicht so ganz gelungen Start, aber das hat sich schnell geändert, denn es entfaltet sich ein unglaublichen Sog in die Geschichte und ich hatte als Leserin oft das Gefühl, selbst die angesprochene Nachtschwester zu sein.
Man erlebt innerhalb weniger Stunden des Lesens (bzw. Zuhörens), ein ziemliches Wechselbad der Emotionen gegenüber der Protagonistin.
Vieles geht darum, warum ihr Weg sie in die Nervenheilanstalt gebracht hat, nicht darum, Heleen als Person zu mögen oder zu hassen - denn dafür ist der Charakter und auch ihre Gedankenwelt viel zu komplex.

Das Buch ist eine spannende Charakterstudie, die ihrer Zeit definitiv voraus war. Offen spricht Heleen über Sexualität, die Beziehung zu Männern, ihre Berufstätigkeit, Träume und psychische Konflikte und dabei stechen eindrücklich die damaligen Rollenerwartungen heraus. Obwohl Sie immer versucht sich gegen diese Erwartungen aufzulehnen, kann sie sich selbst nich gegen die verinnerlichten Erwartungen an sie als Frau wehren und verzweifelt dann an sich selbst... insbesondere an den Erwartungen die sie sich selbst auferlegt.

Vielen Dank an den Diogenes Verlag, dieses Buch aufzulegen, denn es ist nicht nur spannend und historisch. Es teilt auch die damalige Frauenbewegung und die Zugehörigkeiten in Schichten, der Wunsch nach Aufstieg, Geschlechterrollen und das Nichterfüllen von Erwartungen werden bar jedes Klischees verhandelt und sorgen für eine hohe Authentizität.

Diese Geschichte empfehle ich definitiv allen weiter, aber vor allem denen, die einen Einblick in die damalige Zeit erhalten wollen UND einfach mal wieder tiefere Geschichten lesen wollen.