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benel Avatar

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Zunächst ein paar einführende Worte: ich halte nicht viel von rechtsextremer-Aussteiger-Literatur. Der Duktus scheint da doch immer mehr oder weniger identisch und schwankt zwischen: "die ach so böse Gesellschaft hat mich ja irgendwann gezwungen Nazi zu werden, mir blieb keine andere Wahl" über "die Rattenfänger waren einfach erfolgreich mit ihren Versprechungen" bis hin zu "ich zeige euch wie man trotz härtester Androhungen doch aus der Nazi-Szene kommt". Vieles bisherige verschwimmt dabei zwischen Selbstverklärung und Selbstdarstellung. So bleibt es häufig schwierig hinter den wahren Kern der Aussagen der Autoren vorzudringen - es bleibt häufig nur der Teil der Selbstaufarbeitung für den Autoren - ob die Gesellschaft daraus Gewinn ziehen kann wage ich mal zu bezweifeln.
Ein abweichendes Bild davon vermittelt aber Christian Weißgerber. In Eisenach vor der Wende aufgewachsen - ich fürchte in einem mehr oder minder typitschen Vorwende-Haushalt - auch wenn das nicht gerade positiv für die Zeit spricht- entwickelt er sich zum führenden Kader der Thüringer Naziszene. Er überrascht in seiner Lebensdarstellung - die äußerst selbstreflexiv daherkommt - dabei mit einer kühnen Offenheit: "Ich wollte Nazi werden." Das mag der erste Schritt der Erkenntnis sein, ist bei Weißgerber aber darüber hinaus weiterführend. Was folgt sind Einblicke in eine Entwicklung, die sowohl in räumlicher als auch zeitlicher Koinzidenz zur Entstehung des NSU verläuft, und damit auch für diesen Teilaussagen treffen kann. In diesem Sinne geht Weißgerbers Analyse schlussendlich auch über den persönlichen Horizont hinaus. Und dies macht das Buch lesenswert.
Mein knappes Fazit also: Aussteiger-Literatur bleibt schwierig, ist sie doch häufig subjektkonzentriert. Weißgerber gelingt es jedoch seine eigene Entwicklung aus der Betroffenheitssicht zu entnehmen und sie so für eine gesellschaftliche Analyse zur Verfügung zu stellen.