Sadie

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Ich lese nur sehr selten YA-Bücher. Meist ist mir die Welt dort zu sehr in schwarz-weiß eingeteilt und oft auch die Sprache zu schlicht. Auch mit den pubertären Problemen und dem Gefühlschaos gebe ich mich nur ungern ab. Meine eigene Zeit als Teenager liegt dann doch schon zu lange zurück. Aber an „Sadie“ hat mich irgendetwas angesprochen.

Sadies 13jährig Schwester Mattie wird ermordet aufgefunden. Aber das Buch handelt weniger von Matties Tod als von Sadies Verschwinden danach. Sadie ist 6 Jahre, als sie eine kleine Schwester bekommt. Fast sofort übernimmt sie die Mutterrolle für Mattie. Denn ihre Mutter Claire ist Alkohol- und Drogenabhängig und nicht in der Lage, ihnen eine richtige Mutter zu sein. Vor allem an Sadie hat Claire wenig Interesse. Für Sadie ist Mattie alles. Für sie gibt sie die Schule und auch sonst fast allem im Leben auf. Ihr Leben dreht sich um Mattie. Eines Tages ist Claire verschwunden. Mattie, die ihre Mutter liebt und ein viel besseres Verhältnis zu ihr hat als Sadie, trifft das tief. Sie ist zu jung um zu begreifen, was Sadie alles für sie tut. Als eine Postkarte von Claire aus LA eintrifft, will Mattie unbedingt dorthin um ihre Mutter zu suchen. Sadie versucht, ihr das auszureden. Geld dafür ist sowieso nicht vorhanden. Doch eines Morgens ist Mattie verschwunden und wird kurz danach tot aufgefunden. Sadie hat schon bald einen Verdacht, wer für ihren Tod verantwortlich sein könnte: ein ehemaliger Lover ihrer Mutter. Und Sadie begibt sich auf einen Rachefeldzug.

Das Buch wird abwechselnd erzählt aus Sadies Sicht und durch einen Podcast. Mit Sadie erleben wir, wie sie sich aufmacht, was sie erlebt und was ihre Pläne sind. Der Podcast startet nachdem Sadie ebenfalls verschwunden ist und ihr Auto mit ihren ganzen Sachen irgendwo abgestellt gefunden wird. Marie-Beth, die den Trailerpark führt, auf dem Claire mit Sadie und Mattie wohnte und den Mädchen eine Art Ersatzoma ist, gelingt es, die Aufmerksamkeit des Radiojournalisten West McCray auf die vermisste Sadie zu lenken. Er stellt für seinen Podcast Nachforschungen an und kommt damit der Story hinter Sadies Verschwinden auf die Spur.

Das größte Plus in diesem Buch ist die Figur von Sadie. Sie ist ein mutiger, kompromissloser und doch liebevoller Charakter. Sie besteht nur aus Ecken und Kanten und ist absolut hingebungsvoll in ihrer Liebe zu ihrer Schwester. Sie ist eine der eindrucksvollsten Buchcharaktere, die ich je kennenlernen durfte. Sie macht sich auf zornig und furchtlos auf, Matties Mörder zu finden, dabei ist sie zugleich herzergreifend naiv und erschreckend clever. Worauf die Geschichte hinausläuft und was hinter Matties Mord steckt, kann man sich während des Lesens denken. Hinweise gibt es zuhauf. Es ist eine traurige und erschreckende Geschichte, die aber ohne großes Drama sehr geradlinig von der Autorin erzählt wird. Gerade auch Sadies zornige und zielgerichtete Handlungen machen das Buch trotz aller Tragik eher spannend als düster. Die Idee, einen Teil der Handlung als Podcastmitschrift zu erzählen, ist nun nicht mehr allzu neu, aber auch noch nicht abgegriffen genug. Sie gibt der Story die Möglichkeit, die anderen Figuren aus etwas Distanz kennenzulernen anstatt nur durch Sadies Augen. Beide Erzählteile fügen sich harmonisch zusammen.

„Sadie“ würde ich durchaus als Jugendroman einordnen. Aber auch erwachsenen Lesern, so wie ich, die normalerweise nicht zu diesem Genre greifen, kann ich dieses Buch empfehlen. Sadies Charakter ist mir unter die Haut gegangen und ich werde sie so bald nicht vergessen.