Ein weiteres Buch in den endlosen Reihen mittelmäßiger Literatur

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"In diesem Land sind nur noch die schönen Geschichten Gerüchte. Die hässlichen sind alle wahr."

Der junge Fritz kommt mitten in den Kriegswirren aus der sicheren Schweiz ins chaotische Berlin und begegnet dort Nachtclubsängerin/Aktmodel/Lateinlehrerin Kristin, mit der er eine Affäre beginnt. Als sie eines Tages mit geschorenen Haaren und Verletzungen im Gesicht vor seiner Tür steht, muss er erkennen, dass Kristin - eigentlich Stella - ihm nicht die Wahrheit gesagt hat.

Ein Buch, das dermaßen von der Presse auseinandergenommen wird - davon musste ich mir einfach selbst ein Bild machen. Und eins schon mal vorweg: Das Buch verdient weder überschwängliches Lob noch niederschmetternde Kritik. Es rangiert in meinen Augen schlichtweg im unteren Mittelfeld.

Tja, keine Ahnung, da soll wohl die erschreckende Geschichte der jüdischen Judenhäscherin Stella Goldschlag erzählt werden. Ausgerechnet aus der Sicht eines naiven, oberflächlichen jungen Mannes, der noch dazu völlig fiktiv ist. Die Liebesgeschichte zwischen den beiden bildet den Rahmen - ja, für was eigentlich? Nachtclubszenen, Bunkerszenen, Theaterszenen. Alles sehr szenisch. Aber wenig eingängig. Stellas zweites Leben, das der Gestapo-Häscherin, bekommt man nur aus originalen sowjetischen Prozessakten mit. Ein Bezug zwischen den beiden Ebenen besteht so gut wie gar nicht.

Die Charaktere sind für mich keine. Völlig flach und, bis auf Friedrich (der einfach nur hohl und voller Liebe zu sein scheint), doppelzüngig bis ins Mark. Ohne, dass das konkrete Auswirkungen auf die Geschichte hätte. Nur Friedrich bemerkt einmal weise, dass Stella wohl gar keine Rollen spielt, sondern tatsächlich so ist. Was auch immer so dann wieder bedeuten mag. Ja, also, Stella ist alles auf einmal, Opfer und Täterin - und sie ist mir bis zum Ende völlig gleichgültig geblieben.

Was soll man also noch groß sagen? Der journalistische Stil ist schwer lesbar, gerade zu Beginn. Die ewig lange Anfangserzählung über Friedrichs Kindheit und Jugend ist repetitiv und trägt wenig zum Geschehen bei . Die Einleitungen in die Kapitel mit Themen aus dem damals aktuellen Weltgeschehen sind willkürlich zusammengewürfelt und von der Geschichte völlig losgelöst. Die einzelnen erzählerischen Elemente sind sowieso ungenügend verknüpft. "Stella-Material" ist rar. Prozessakten sind kein adäquater Ersatz für eine Romanerzählung. Sonst würde ich ja einfach die Prozessakten lesen. Und wenn Friedrich dann große Erkenntnisse äußert wie "Vielleicht ist es Schwäche, die dazu führt, dass wir anderen wehtun." (S.194), dann hört der Spaß endgültig auf.

Nein, dieses Buch muss man nicht gelesen haben. Dafür gibt es zu viele gut erzählte Geschichten über diese Zeit.