sehr unterhaltsam

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katja28 Avatar

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Im Mittelpunkt stehen die drei Garnett: Schwestern Rachel, Imogen und Sasha sowie ihre Mutter Margo, eine schillernde, starke, aber auch verletzliche Frau. Ihr Leben wird überschattet von einem alten Bruch: Als ihr alkoholabhängiger Mann Richard die Familie verließ, hinterließ er nicht nur eine Lücke, sondern eine Last, die jede der Töchter auf ihre eigene Weise trägt. Er bleibt eine Leerstelle: abwesend, aber spürbar in jeder Entscheidung, jedem Schmerz, jeder Frage. Besonders Rachel, die Älteste, kämpft mit Erinnerungen an eine Kindheit, die nicht so sorglos war, wie sie nach außen scheint.
Rachel versucht, alles zusammenzuhalten. Familie, Haus, Fassade. Imogen, die mittlere Schwester, steht kurz vor ihrer Hochzeit und fragt sich zunehmend, ob sie das Leben lebt, das sie selbst will, oder das, was von ihr erwartet wird. Und Sasha, die Jüngste, rebelliert innerlich gegen eine toxische Beziehung mit ihrem besitzergreifenden Mann. Trotz ihrer Unterschiede verbindet sie etwas Starkes: die Geschichte ihrer Familie, unausgesprochene Wahrheiten und ihre komplizierte Beziehung zu ihrer Mutter.
Für mich persönlich war Margo die eindrucksvollste Figur. Ich bin keine Mutter, aber ich konnte mich in ihrer Art, zu lieben, zu kämpfen und Fehler zu machen, gut hineinversetzen. Ihre Gefühlswelt ist besonders fein gezeichnet. Man spürt ihre Sehnsucht nach Freiheit, ihre Überforderung, ihren Stolz. Oft ist sie schwer auszuhalten und gerade deshalb so glaubwürdig. Der Alkohol, der in dieser Familie eine zu große Rolle spielt, ist ein stiller Begleiter aller Generationen. Er dient als Trost, als Betäubung, als Gewohnheit und bringt viel Schmerz mit sich.
Die Isle of Wight, mit ihrem alten Familienhaus Sandcove, ist mehr als nur Kulisse. Sie steht für Vergangenheit, Sehnsucht, Rückzugsort und Bühne. Im Familienanwesen Sandcove werden Partys gefeiert, Dramen durchlebt und Erinnerungen konserviert. Die Atmosphäre ist dicht und lebendig, und obwohl der Roman eher leise erzählt wird, passiert auf emotionaler Ebene sehr viel. Es geht um Prägung, Erwartungen, den Versuch, sich vom Erbe der Eltern zu befreien und darum, was bleibt, wenn man loslässt.
Was mir besonders gefallen hat: Die Figuren wirken authentisch, ihre Konflikte nachvollziehbar. Niemand ist nur gut oder nur schlecht, und nicht jede Geschichte wird zu Ende erzählt, das fand ich realistisch und angenehm.
Was ich positiv hervorheben möchte: Die männlichen Figuren in „Die Garnett Girls“ sind keine plakativen Gegenspieler. Sie werden ebenso differenziert gezeichnet wie die weiblichen Charaktere: jeder der Männer bringt eigene Stärken, Schwächen und Unsicherheiten mit, ihre Beziehungen zu den Schwestern und Margo sind vielschichtig und glaubwürdig. Auch wenn es Konflikte gibt, stehen hier nicht „die Männer“ pauschal als Übeltäter da, sondern es geht vielmehr um die Dynamik innerhalb der Partnerschaften mit all den Erwartungen, Prägungen und individuellen Entscheidungen, die dazugehören. Das verleiht dem Roman zusätzliche Tiefe und macht ihn umso realistischer.