Des Menschen Wolf

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Nach den Geschehnissen des vergangen Jahres steckt Cardell in einem tieferen Loch als je zuvor. Keine Arbeit, keine Freunde – nur billiger Fusel und ein schmutziges Zimmer, von dem er kaum weiß, wie er es bezahlen soll.
Als die Witwe Colling vor seiner Tür steht, will er sie erst des Platzes verweisen. Was hat er, ein gealterter und lädierter Häscher, schon, das sie brauchen könnte? Doch da ihr niemand helfen will, ist Cardell ihre letzte Chance – und auch Wahl.
Ihre Tochter wurde brutal ermordet und alles, was sie vom Leben noch erwartet, ist, dass derjenige, der ihr das angetan hat, seiner gerechten Strafe zugeführt wird.

Wieder kippt Niklas Natt och Dag ein Fass voller Brutalität über uns aus – ohne Rücksicht und ohne Sicherheitsabstand. Stockholm und seiner Brut geht es noch schlechter als im Jahr zuvor. Die politischen Unruhen haben sowohl die Gesellschaft als auch das Herrscherhaus gespalten und wo man hinsieht herrscht Grausamkeit, Elend und Eigennutz. Mitleid begegnet man nur selten, denn auch der Autor zeigt seinen Protagonisten gegenüber davon nur wenig.
Gewohnt gekonnt reizt er uns bis an die Schmerzgrenze und auch, wenn der Fall in 1794 nicht so detailliert grausam ist wie der, den wir im Jahr zuvor behandelt haben, ist die Geschichte trotzdem äußerst hart.
Wie bereits im Vorgänger folgen wir dem Geschehen nicht durch Cardells oder Winges Augen allein, sondern fliehen auch zusammen mit Erik, einem jungen Adeligen, vor dem harten Joch seines Vaters auf eine karibische Insel, um dort die Zeit bis zu seiner Volljährigkeit zu verbringen um dann, endlich, seine große Liebe auch ohne Zustimmung des Vater ehelichen zu können. Dort angekommen wird er jedoch mit der Grausamkeit der Sklaverei konfrontiert und da wir der Erinnerung Eriks lauschen wissen wir, welch schreckliches Schicksal ihn und seine Frau nach dem Ende seiner Reise erwartet. Doch ist er wirklich der Täter oder nur ein Opfer?

Die extreme, zumindest gefühlte, Realitätsnähe ist es, was Niklas Natt och Dag nun bereits zum zweiten Mal zu seinem größten Streich macht, denn auch, wenn die Geschichte hier ein wenig hinter 1793 zurück bleibt, herrscht über alle Seiten hinweg ein so tiefes Ziehen im Magen, dass man nicht weiß, ob es an der Spannung oder der Grausamkeit liegt, mit der wir konfrontiert werden. Dass er hier jedoch ein paar seine begonnen Fäden nicht zu Ende spinnt, legt einen etwas bitteren Wehmutstropfen über das Gemüt, sobald man das Buch beendet hat und sich fragt: wo zum Teufel sind die letzten zwanzig Seiten?

Doch sieht man von dem etwas abrupten Ende ab bleibt zu sagen: Grausam ging es zu dieser Zeit auf der Welt im Allgemeinen und Stockholm im Speziellen zu und, Leute, bin ich froh, dass ich nicht damals leben musste.
Dafür freue ich mich umso mehr, darüber lesen zu können.

Wieder eine absolute Empfehlung – sofern man mit Brutalität zurechtkommt.