Tolle Atmosphäre

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Liest man den zweiten Teil einer Reihe, hat der erste sein Ziel erreicht. Er hat neugierig gemacht auf mehr, den Leser in seinen Bann gezogen und war lesenswert. Vielleicht hat man die Figuren ins Herz geschlossen oder den Schreibstil? 1793 war so gut, dass ich direkt zum zweiten Teil um Michael Cardell greifen musste.

Der Einstieg ist spannend. Wir begleiten einen Jungen, der zu einem Mann heranwächst und sich auf die Sklaveninsel begibt. Dort bekommen wir das ganze Ausmaß der Sklaverei zu sehen bzw. zu lesen: die Bestrafungen und Demütigungen sowie den Missbrauch. Mit seinem eindringlichen Stil hat der Autor hier eine Atmosphäre geschaffen, die für uns Leser ungemütlich ist. Wir sollen die Story noch nicht genießen, müssen zuerst durch das Elend, welches so viele Menschen ertragen mussten. Allerdings war mir lange nicht klar, was das mit der eigentlichen Story zu tun hat.

Cardell ist nach dem Abschluss des ersten Teils wieder in ein tiefes Loch gefallen und sein treuester Freund ist im Moment der Alkohol. Er erhält einen neuen Auftrag, in dem er den wahren Mörder einer Braut finden soll. Cardell ähnelt seinem Ich vom vorigen Jahr, er hat sich nicht groß geändert und auch hier bleibt er der Alte. Das Buch hat ein Personenregister, in dem man zur Not noch einmal nachschauen kann, wer wer ist. Grundsätzlich sei aber angeraten, den ersten Teil zu lesen. Die Handlungen stehen unabhängig voneinander, für die Hintergründe der Charaktere ist es jedoch sehr interessant.

Die Geschichte ist als Roman gelistet, der Klappentext liest sich allerdings eher wie ein Krimi. Wer hier jedoch auf unterschwellige, atmosphärische Spannung á la Henning Mankell hofft, ist falsch. In vielen Dingen geht es hier brutaler zu als in einem Krimi. Detaillierte Beschreibungen geben den Schubs ins Grausame. Dazu macht der Schreibstil des Autors auch noch viel aus. Die schrecklichen Umstände, unter denen die normalen Bürger nach dem Krieg 1794 litten - Hunger, Schmutz, Gestank und Hoffnungslosigkeit - erscheinen insgesamt durch den anschaulichen Stil noch um einiges schlimmer.

Im Vergleich zum Vorgänger hat der Autor sich hier sehr viel Zeit gelassen, um die Handlungsstränge zusammenzuführen. Oftmals war der rote Faden nicht erkennbar und es schien, als ob die Handlungen nebeneinander laufen, ohne miteinander zusammenzuhängen. Das Ende war sehr abrupt, gibt zwar die Hoffnung auf einen weiteren Teil, war aber für mich etwas unbefriedigend.

Persönliches Fazit: Mit Niklas Natt och Dag durch die verwinkelten Gassen Stockholms zu ziehen ist fast so, als ob man vor Ort wäre. Wer vor Brutalität nicht zurückschreckt und gerne historische Kriminalistik damit verbindet, ist hier genau richtig!