Ein Buch wie ein schlechter Actionfilm

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„Um Punkt acht Uhr fünfzehn werde ich das Ventil aufdrehen und die Präsidenten von Amerika, China, Russland, Brasilien sowie die Chefs von ExxonMobil, BP, Shell, Saudi Aramco und noch einigen mehr, insgesamt einundzwanzig Personen, umbringen“, kündigt die 24-jährige Protagonistin Leela Faber im Prolog von Noah Richters Klimathriller „2,5 Grad – Morgen stirbt die Welt“ an. Sie sieht keinen anderen Weg, um die sich anbahnende Klimakatastrophe zu verhindern. Ihr Freund, der Glaziologe Jakob Richter, von dem sie Zwillinge erwartet, ist bei einem Unglück in der Antarktis ums Leben gekommen. Zuvor konnte er Leela per Mail drei Dateiordner zukommen lassen, die Unglaubliches offenbaren. Mit den Dateien im Gepäck macht sich Leela auf den Weg nach Berlin, um Jakobs Kampf für das Klima gemeinsam mit dessen Ex-Freundin Mackenzie Little weiterzuführen.

Der Großteil des Romans spielt sich in nicht allzu ferner Zukunft in Deutschland ab. Richter zeichnet ein Katastrophenszenario, das die Auswirkungen des Klimawandels vor unsere eigene Haustür holt und dadurch deutlich macht, warum das Thema uns alle etwas angeht: Überflutungen vernichten ganze Städte, auf den Straßen mischen sich die Flüchtlingsströme aus nicht mehr bewohnbaren Gebieten der Erde mit den Massen derjenigen, die ihre Wohnungen in Deutschland durch die Unwetter verloren haben, während sich rechtsradikale Vereinigungen bereitmachen, um die Macht an sich zu reißen, und skrupellose Sektenführer die verstörten Menschen mit Heilsversprechen in ihre Fänge locken. Das Cover vermittelt bereits einen Eindruck von der düsteren Stimmung, die den gesamte Roman über vorherrscht, und auf dem Rand der Seiten ist ein Thermometer abgedruckt, auf dem man beim Lesen den Temperaturanstieg verfolgen kann. Die Aufmachung ist gelungen, das Thema brandaktuell und das Szenario verspricht Spannung. Deshalb hatte ich mich sehr auf „2,5 Grad“ gefreut – und wurde umso mehr enttäuscht.

Das Buch liest sich wie ein schlechter Actionfilm: seitenweise unrealistische Verfolgungsjagden, sinnlose Gewalt und großkotziges Gerede. Normalerweise bin ich ein großer Fan multiperspektivischen Erzählens, aber nicht, wenn es so schlecht umgesetzt wird wie in diesem Roman, in dem die Perspektivwechsel nur dazu zu dienen scheinen, mehr Schauplätze für brutale Gewalttaten zu eröffnen. Dabei geraten immer wieder zeitliche Abläufe durcheinander, zahlreiche kleine Logikfehler und Widersprüche stören den Lesefluss und man lernt nahezu alle Figuren nur oberflächlich kennen. Die meisten von ihnen kommen einfach nur gewissenlos und arrogant rüber. Die Namensgebung ist so plump, dass sie viele Charaktere wie Witzfiguren erscheinen lässt: Die Umweltministerin heißt Baum, der Innenminister Kotzer, der hinterhältige Intrigenspinner Paulus Moses und für den mutigen Gletscherforscher hat der Autor denselben Nachnamen gewählt wie für sein eigenes Pseudonym.

Noah Richter versucht, zu viele wichtige Themen auf einmal abzuarbeiten und geht dabei derart sensationsheischend vor, dass keines mit Tiefe behandelt wird. Die sinnlose Brutalität und die unnötigen Nebenhandlungen verdecken den Blick auf den Klimawandel, seine Ursachen und Folgen, obwohl der Autor durchaus wichtige Fakten darüber einstreut. Es ist wenig nachvollziehbar, warum bei einem Thema, das so viel Brisanz und Konfliktpotenzial bietet, eine erfundene Verschwörung im Mittelpunkt steht, die einer Gruppe von Konzernchefs und Politikern die gesamte Verantwortung zuschiebt, und der Mord an ihnen als Ausweg aus der Klimakatastrophe präsentiert wird. So spannend der Einstieg in den Roman auch ist, mir wird auf den über 400 folgenden Seiten nicht wirklich klar, wie der Anschlag die Erde retten soll.

Die Protagonistin Leela fragt sich im Prolog, wie die Lesenden wohl über sie und ihre Taten urteilen werden. Am Ende von Noah Richters „2,5 Grad – Morgen stirbt die Welt“ angekommen, muss ich leider sagen, dass sie für mich keine mutige Klimakämpferin ist, sondern sich nach dem Tod ihres Freundes in einen blindwütigen Racheakt stürzt, und mich ihre Geschichte durchweg enttäuscht hat.