Abschied vom Matriarchat
Wer sich auf einen Reisebericht aus Utopia freut, der in allen farbigen Einzelheiten einen Aufenthalt in einem exotischen Matriarchat schildert, wird von Friederike Oertels neuem Buch wohl eher enttäuscht werden. Die Autorin erzählt zwar tatsächlich so etwas wie eine Reisegeschichte – diese liefert der Autorin aber eigentlich nur den Anstoß, über feministische und Genderthemen nachzudenken und sich selbst neu zu verorten.
Dabei ist ihr Reisebericht durchaus farbig, die Zeichnung von Land und Leuten lebendig, der Stil gut verständlich und flüssig zu lesen. Die zehn Kapitel beginnen jeweils mit einem konkreten Erlebnis am Zielort Juchitán. Anhand dieser beleuchtet Oelker wirtschaftliche (Un-)abhängigkeit, öffentliche Sichtbarkeit, politischer Einfluss, Genderfluidität, Jungfräulichkeitsmythos, das Phänomen des Femizids, die systemische Funktion weiblicher Angst, Akzeptanz weiblicher und männlicher Gefühlsäußerungen, weibliche Wut. Es gibt viele Zitate und eine entsprechend lange Lektüre- und Referenzliste am Ende des Buches. Wer sich mit den aktuellen feministischen Themen noch nicht in der Tiefe auseinandergesetzt hat, findet in Oelkers Text einen brauchbaren Überblick. Das hat stellenweise was von einem Referat.
Oertel nimmt am Leben der Juchitáneras teil, führt Gespräche, stellt Fragen und prüft für jedes der genannten Themen die Problemlage im vermeintlich idealen weiblichen Lebensraum. Zwar darf man nicht vergessen, dass es sich um einen persönlichen Erfahrungsbericht handelt und die Erlebnisse der Autorin kein wissenschaftliches Gewicht haben. Aber dennoch fand ich ihren Ansatz legitim und aufschlussreich.
Parallel geht es Oertel auch um die Geschichte des Matriarchatsbegriffes und dessen Rezeption. Was ist das überhaupt, ein Matriarchat? Wo und wann in der Weltgeschichte hat es Matriarchate gegeben? Gibt es zuverlässige Daten? Sind alle Matriarchate gleich? Sind Matriarchate frei von patriarchalischer Unterdrückung?
Oelker präsentiert Theorien und Interpretationen aus Archäologie und Geschichtsforschung und zeigt, dass diese immer stark von der jeweiligen Ideologie der Forscher:innen geprägt waren. Die Autorin zeigt anhand konkreter Beispiele, wie die Idee des Matriarchats zu allen Zeiten polarisiert hat, bis hin zu völlig gegensätzlichen Deutungen ein und desselben Phänomens. Klar wird: „Das Matriarchat“ gibt es nicht und hat es höchstwahrscheinlich nie gegeben, schon gar nicht als Umkehr des Patriarchats, in dem Frauen „herrschen“ und Männer unterdrückt werden. Insofern habe ich „Urlaub vom Patriarchat“ eher als „Abschied vom Matriarchat“ gelesen.
War Oertels Reise ins Matriarchat nun ein Erfolg? Wie man´s nimmt. „Juchitán ist Matriarchat und Patriarchat in einem, alles gleichzeitig und nichts davon allein.“ Aus meiner Sicht ist Desillusionierung ein zwar meist unangenehmer, aber unvermeidbarer Teil persönlichen Wachstums. Insofern mögen Oertels Schlussfolgerungen ernüchternd sein, öffnen aber den Raum für realistischere Zielbilder. Insgesamt eine lohnende Lektüre.
Dabei ist ihr Reisebericht durchaus farbig, die Zeichnung von Land und Leuten lebendig, der Stil gut verständlich und flüssig zu lesen. Die zehn Kapitel beginnen jeweils mit einem konkreten Erlebnis am Zielort Juchitán. Anhand dieser beleuchtet Oelker wirtschaftliche (Un-)abhängigkeit, öffentliche Sichtbarkeit, politischer Einfluss, Genderfluidität, Jungfräulichkeitsmythos, das Phänomen des Femizids, die systemische Funktion weiblicher Angst, Akzeptanz weiblicher und männlicher Gefühlsäußerungen, weibliche Wut. Es gibt viele Zitate und eine entsprechend lange Lektüre- und Referenzliste am Ende des Buches. Wer sich mit den aktuellen feministischen Themen noch nicht in der Tiefe auseinandergesetzt hat, findet in Oelkers Text einen brauchbaren Überblick. Das hat stellenweise was von einem Referat.
Oertel nimmt am Leben der Juchitáneras teil, führt Gespräche, stellt Fragen und prüft für jedes der genannten Themen die Problemlage im vermeintlich idealen weiblichen Lebensraum. Zwar darf man nicht vergessen, dass es sich um einen persönlichen Erfahrungsbericht handelt und die Erlebnisse der Autorin kein wissenschaftliches Gewicht haben. Aber dennoch fand ich ihren Ansatz legitim und aufschlussreich.
Parallel geht es Oertel auch um die Geschichte des Matriarchatsbegriffes und dessen Rezeption. Was ist das überhaupt, ein Matriarchat? Wo und wann in der Weltgeschichte hat es Matriarchate gegeben? Gibt es zuverlässige Daten? Sind alle Matriarchate gleich? Sind Matriarchate frei von patriarchalischer Unterdrückung?
Oelker präsentiert Theorien und Interpretationen aus Archäologie und Geschichtsforschung und zeigt, dass diese immer stark von der jeweiligen Ideologie der Forscher:innen geprägt waren. Die Autorin zeigt anhand konkreter Beispiele, wie die Idee des Matriarchats zu allen Zeiten polarisiert hat, bis hin zu völlig gegensätzlichen Deutungen ein und desselben Phänomens. Klar wird: „Das Matriarchat“ gibt es nicht und hat es höchstwahrscheinlich nie gegeben, schon gar nicht als Umkehr des Patriarchats, in dem Frauen „herrschen“ und Männer unterdrückt werden. Insofern habe ich „Urlaub vom Patriarchat“ eher als „Abschied vom Matriarchat“ gelesen.
War Oertels Reise ins Matriarchat nun ein Erfolg? Wie man´s nimmt. „Juchitán ist Matriarchat und Patriarchat in einem, alles gleichzeitig und nichts davon allein.“ Aus meiner Sicht ist Desillusionierung ein zwar meist unangenehmer, aber unvermeidbarer Teil persönlichen Wachstums. Insofern mögen Oertels Schlussfolgerungen ernüchternd sein, öffnen aber den Raum für realistischere Zielbilder. Insgesamt eine lohnende Lektüre.