Die Suche nach dem wahren Matriarchat

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Einfach mal dem Patriarchat den Rücken kehren und tief verwurzeltes abstreifen bzw. neu denken. So oder so ähnlich hat Friederike Oertel vielleicht gedacht, als sie für drei Monate ihr Leben in Deutschland gegen das in Juchítan, einer Stadt nahe der Pazifikküste Mexikos eintauschte. Juchítan, dass schon vorher als Matriarchat in der Presse vorkam. Ich bin aber erst durch dieses Buch darauf gestoßen.

Mir gefällt wie ehrlich Oertel ihre Zeit dort beschreibt. Sie beobachtet und fragt nach, sie beachönigt nichts und kritisiert auch nicht. Mir als Leserin bleibt es überlassen, wie ich das Gelesene beurteile.

'Urlaub vom Patriarchat' ist aber nicht einfach ein Reisebericht oder eine Anekdotensammlung von Erlebnissen, sondern es ist gleichzeitig ein Sachbuch. Oertel hat viel zu den Matriarchaten dieser Welt geforscht. Sie erklärt, wie Patriachalische Strukturen entstanden sein könnten und geht tief in die Geschichte der Menschheit hinein. Sie greift Themen wie Diversität, Wut, sexuelle Gewalt und einige weitere auf, alle eng verbunden mit dem System in dem wir, aber auch die Menschen Juchitans leben. Und immer wieder lässt uns Oertel an ihren eigenen Erfahrungen teilhaben, die die sachlichen Fakten Nachbar untermauern.

Wieder einmal denke ich mir, dass wir so viel mehr von indigenen Völkern (in Juchítan leben u.a. die Zapotek:innen) als wir ihnen genommen haben. Das Matriarchat dort ist keine Umkehr des Patriarchats wie wir es kennen, es ist auch nicht perfekt (was immer auch perfekt bedeuten mag). Es ist ein anderes Verständnis, dass dennoch durchzogen ist von männlichen Denkweisen. Die Politik ist dort immer noch größtenteils männlich und vor der Hochzeit findet ein Brautraub mit dem Nachweis der Jungfräulichkeit statt. Letztes ist kein Muss, aber die Tradition lässt viele noch daran festhalten.

Ich habe wieder vieles gelernt, z.B. das sich das Wort Matriarchat nicht nur von Mutter, sondern auch von Anfang herleiten lässt. Oder dass Zapotek:innen Ageism nicht kennen. Und ja, ich kannte das Wort Ageism nicht. Das ist die Diskriminierung des Alters. In Juchítan gibt ein drittes Geschlecht, sie Muxe. Ich könnte noch so viel mehr schreiben und erklären. Aber lest es selbst. Ich werde jedenfalls die Werbetrommel schüren und bei meiner großen Tochter und meinem Mann beginnen.