Islandkrimi mit Meta-Ebene

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missmarie Avatar

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"Ach ja, und denk daran, dass die Hauptfigur nicht sympathisch sein sollte. Niemand mag sympathische Hauptfiguren in einem Krimi."

Diesen Tipp bekommt Protagonistin Hannah in Jenny Lund Madsens Debut-Roman von einem Schriftstellerkollegen, der bereits erfolgreich Krimis verkauft. Das kann Hannah nicht von sich behaupten - ihre Bücher verkaufen sich nur schlecht, neidvoll blickt sie auf der Erfolg des Kollegen und lässt sich zur Aussage hinreißen, dass man einen Krimi ja wohl in einem einzigen Monat schreiben könne. Dummer Weise fallen ihre Wort bei einer Buchmesse, sodass Hannah sich nun vor der Herausforderung stehen sieht, Taten folgen zu lassen. Um genügen Ruhe zum Schreiben zu haben, schickt sie Verleger Bastian in ein abgelegenes isländisches Dörfchen. Wer kann schon ahnen, dass in düsteren isländischen November schon kurz nach Hannahs Auftauchen eine Leiche gefunden wird?

Den Tipp aus dem Zitat scheint auch Jenny Lund Madsen selbst zu beherzigen, denn Hannah ist alles andere als eine Figur, die man auf Anhieb gern haben möchte. Rauchend und trinkend stolpert sie vor allem in den ersten Tagen selbstgerecht durch den kleinen Ort. Doch irgendwie wächst sie dem Leser dann doch ans Herz. Das liegt nicht zuletzt an Lund Madlens tollem Gespür für echte Figuren. Egal, wem man als Leser auf den Seiten begegnet; Die Figuren sind glaubhaft und authentisch. Einige, wie Hannahs Gastgeberin Ella, möchte man am liebsten selbst kennen lernen. Gerade hier bereist die Autorin, dass sie nicht nur Drehbücher, sondern auch Krimis verfassen kann.

Wie eine feine Meta-Ebene ziehen sich Aussagen darüber, wie man denn nun einen guten Krimi schreibt durch den Roman. Schnell rätselt man: Hat Lund Madsen das auch für ihren Krimi berücksichtigt? Kommt es gleich zur großen Überraschung? Oder sitzt man als Leser einen alten Krimiautornklischee auf? Diese feine Meta-Ebene hätte nach meinem Geschmack gerne noch weiter ausgebaut werden dürfen, hat es mir doch Spaß gemacht, diese Szenen als Kommentar zu "30 Tage Dunkelheit" zu lesen.

Ein weiterer Pluspunkt: Lund Madsen wählt ihren Handlungsort nicht willkürlich aus. Dass die Handlung in Island spielt, liegt zum einen an der Sprachbarriere, die sich für Hannah auftut. Sie versteht nicht immer alles, ist auf Übersetzungen angewiesen. Das macht die Handlung - auch wenn man Isländisch versteht - spannend. Manchmal sorgen allerdings Sprachkenntnisse dafür, dass der ein oder andere Spannungsmoment schon etwas früher aufgelöst wird. Zum anderen hat die Autorin eine der zahlreichen Sagas mit in ihren Roman verwoben - wieder eine Meta-Ebene mehr, die mir als Kommentar zur Romanhandlung sehr gefallen hatte.

Bei aller Begeisterung gibt es aber auch einige, wenige Schwächen: Manche Plottwists wirken doch sehr gewollte. Figuren tauchen dann aus dem Nichts auf. Das hat mich aber nicht all zu sehr gestört, denn bei dem sonst guten Schreibstil kann man darüber hinwegsehen. Insgesamt ist "30 Tage Dunkelheit" ein solider Krimi, der mich vor allem mit kleinen Anleihen an der Meta-Ebene begeistern konnte.