„Flirt mit dem Glück“
In bitterer Armut ist sie aufgewachsen, die Großmutter von Jaqueline Kornmüller. Eine solche Armut, von der sie immer sagte, „ so eine Armut, wie ich sie als Kind erlebt habe, gehört verboten.“
Geboren wurde Lina an einem Dreizehnten im Jahr 1911 in einem Dorf in Niederbayern. Aufgewachsen ist sie mit 10 Geschwistern, zu denen noch vier Pflegekinder kamen. Schon mit dreizehn Jahren tritt sie ihre erste Arbeitsstelle an. Erste Erfahrungen im Hotelgewerbe macht sie in München und von dort führt es sie mit der neu gewonnenen Freundin Maria nach Garmisch. Wieder in ein Hotel, in ein sehr renommiertes. Hier verkehren die Großen der deutschen Filmindustrie, u.a. auch Zarah Leander.
Die Arbeit im Hotel gefällt Lina, doch sie will nicht länger Angestellte sein. Und als sich die Möglichkeit bietet, eine schöne Villa zu pachten, greift sie zu. Gemeinsam mit Freundin Maria betreibt Lina fortan das kleine Hotel „Amalie“. Es folgen harte und arbeitsame Jahre, die aber von Erfolg gekrönt sind. Lina ist mit Leib und Seele Hoteliersfrau, immer bereit, immer gastfreundlich.
Doch Lina vergisst nie ihre Herkunft, die bitteren Jahre der Armut. Das mag mit ein Grund gewesen sein für ihre Leidenschaft für das Lotto- Spiel. Woche für Woche füllt sie den Lottoschein aus, und tatsächlich hat sie einmal einen Sechser. Doch der Gewinn spielt im Buch und in Linas Leben gar keine so große Rolle.
Wichtiger ist vielmehr Linas unerschütterlicher Optimismus und ihr Vertrauen in das Glück. Dabei erwartet sie nichts Weltbewegendes; ihr Glück liegt in den kleinen Dingen.
Nur in der Liebe hat Lina kein Glück. Ein „ Zufallsgast“, von dem sie glaubt, er bliebe ein Leben lang, entpuppt sich als nicht verlässlich. Lina wird weiterhin ihre Tochter allein großziehen. Aber immer treu an ihrer Seite ist Freundin Maria, ein Leben lang.
Die Regisseurin und Autorin Jaqueline Kornmüller erzählt in 49 (!) kurzen Kapiteln vom Leben ihrer Großmutter. Bei ihr ist sie aufgewachsen, sie war ihr „ persönlicher Sechser im Lotto“. Und diese Liebe und Verbundenheit zwischen Großmutter und Enkelin ist in jeder Zeile zu spüren.
Die Autorin erzählt episodenhaft, umkreist das Leben ihrer Großmutter, erzählt aber auch von sich, von ihrer Kindheit in der „ Amalie“, von ihrem Erwachsenwerden.
Dabei wird der historische Hintergrund nicht ausgeklammert. So erfährt der Lesende z.B. von der unrühmlichen Vergangenheit von Garmisch- Partenkirchen, dem Geburtsort der Autorin. Weil Hitler die Winterolympiade wollte, wurden 1935 die verfeindeten Dörfer Garmisch und Partenkirchen zusammengelegt. Der Ort blüht auf, die Touristen kommen in Scharen, die „ Luftdeppen“, wie es im Buch heißt. Und die Nazis haben hier, wie andernorts , das Sagen. Auch davon erzählt Jaqueline Kornmüller in eindrücklichen Szenen. Ihre kritische Haltung zu ihrem Geburtsort zeigt sich u.a. darin, dass sie von ihm nur als „ Bindestrich“ spricht.
Auch sonst pflegt die Autorin einen eigenwilligen Erzählstil, mit vielen kurzen Sätzen und Wiederholungen. Viele Figuren erhalten keinen eigenen Namen sondern heißen „ die Kanaille“, „ der Durchreisende“, „ der Zufallsgast“ oder einfach „ Du“. Und die Mutter der Autorin wird im Buch nur „ Linas Tochter“ genannt. Der Fokus liegt eindeutig auf Lina.
Das aussagekräftige Coverbild, fast nur in Blau gehalten, bis auf die gelbe Schrift, hat die bekannte Illustratorin Kat Menschik gestaltet. Sie fasst sehr anschaulich den Inhalt zusammen. Vor dem Hintergrund einer blühenden Berglandschaft stehen zwei lächelnde Frauen, Hand in Hand, hinter ihnen das Hotel „Amalie“. Und zwischen all dem schweben sechs Lottokugeln.
„6 aus 49“ ist eine liebevolle Hommage an eine starke und beeindruckende Frau, die mit Zuversicht und Selbstvertrauen ihr Leben gemeistert hat.