Lina hat Glück

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Zunächst hat mir diese Hommage der Autorin an ihre Großmutter Lina sehr gefallen. Viele Beschreibungen, Verhaltensweisen, Gedanken waren so liebe- und fantasievoll formuliert. Zum Beispiel wie Jacqueline Kornmüller als Kind im großen Bett im Rücken der Oma liegt, über Vieles reden kann, einschläft, sich wohlig beschützt und behütet fühlt: "Der Rücken war ein großer, runder Hügel aus warmer Haut, er war die Landschaft, durch die ich reiste. Hinter ihrem Rücken war man vor allen Unwägbarkeiten des Lebens sicher" (S. 9). In solchen Sätzen wird die Nähe der Beiden bildhaft deutlich.

Lina, geboren 1911, ist eine tatkräftige Frau, die - allen Schicksalsschlägen zum Trotz - unverbrüchlich an ihr Glück glaubt und reich beschenkt wird. Aus der extremen Armut ihrer Kindkeit arbeitet sie sich hoch bis zum eigenen Pensionsbetrieb, ihr freundliches und umsorgendes Wesen lässt ihre Gäste gern wiederkommen. Die Marotte des kontinuierlichen und ziemlich ausufernden Lottospiels wird schließlich mit dem Hauptgewinn belohnt. Aber eigentlich hätte es für das Glücksempfinden gar nicht eines solchen Gewinns bedurft. Denn Lina hat sich ihren positiven Blick auf das Leben immer bewahrt, kommt so auch durch die Zeit mit den verhassten Nationalsozialisten.

Informativ ist hier zu lesen, wie Hitler den Zusammenschluss von Garmisch und Partenkirchen erzwungen hat; von der Autorin wird der Ort nur "Bindestrich" genannt. Zunächst fand ich solche Bezeichnungen auch für Personen recht originell: "Zufallsgast" für den entschwundenen Großvater, "Unternehmerkutscher" für den ständigen Begleiter im verregneten Schweiz-Urlaub, "Frankreich" gleichermaßen für das Land wie für eine französische Reisebekanntschaft und Affäre von Linas Tochter, die zur Geburt der Autorin führte.

Spätestens hier fand ich diese Benennungen befremdlich: Kein einziges Mal wird Jacqueline Kornmüllers Mutter mit ihrem Namen benannt, oder gar liebevoller als Mama oder mit einer sonstigen Koseform bezeichnet, immer ist nur von "Linas Tochter" die Rede. Sicherlich steht das für die Distanz in der Beziehung, doch die Hintergründe für das Warum werden nicht thematisiert. Völlig krampfig fand ich dann die ausschließliche Bezeichnung "Du" für den Freund der Autorin. Um nur ein Beispiel von vielen zu nennen: "Du kam an einem Vormittag in Bindestrich an" (S. 194). Dieser Sprachstil gegen Ende des Romans hat das Lesevergnügen bei mir doch sehr getrübt.

Witzig fand ich wiederum, dass das Buch in 49 kurze Kapital gegliedert war. Hier wird nochmals der Bezug zum Titel gebenden Lottospiel "6 aus 49" genommen.