Sehr komplex und unerwartet

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evaerl Avatar

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Einstieg & Gesamteindruck

A Dance of Lies ist ein Roman, der zunächst mit klassisch wirkenden Motiven beginnt – ein Königreich voller Geheimnisse, eine junge Frau mit einer Fluchtvergangenheit, ein System aus Macht und Misstrauen. Doch je weiter man liest, desto mehr verstrickt sich die Handlung in fein gewobene Intrigen, persönliche Schicksale und moralische Dilemmata. Der Titel ist treffend gewählt – es ist tatsächlich ein Tanz aus Täuschung, Anpassung und stillen Entscheidungen, bei dem kaum jemand eine weiße Weste trägt.

Das Buch hat mich nicht sofort vollends abgeholt, aber es hatte durchgängig Sogwirkung. Mit zunehmender Seitenzahl wurde die Geschichte intensiver, emotionaler – aber auch widersprüchlicher. Ich war fasziniert, gleichzeitig innerlich oft zerrissen.



🏰 Weltenbau & Atmosphäre

Die Welt, in der sich die Handlung entfaltet, ist durchdacht und atmosphärisch dicht. Sie strahlt gleichzeitig Opulenz und Bedrohung aus, abhängig davon, in welchem Reich man sich befindet. Die Kontraste zwischen den Höfen sind visuell stark – die Architektur, die Farben, sogar das Licht spielen eine erzählerische Rolle. Das hat mich sehr beeindruckt.



Ohne sich in endlosen Beschreibungen zu verlieren, gelingt es der Autorin, Bilder zu erzeugen, die im Kopf bleiben. Besonders die Unterschiede zwischen der kalten Strenge des einen Königs und der fast schon idealisierten Lichtfülle des anderen Schauplatzes geben dem Buch eine fast märchenhafte Tiefenschärfe – allerdings ohne ins Naive abzudriften. Es fühlt sich oft an, als würde man als Leser eine Bühne betreten – manchmal elegant, manchmal beklemmend.


🧵 Protagonistin & Identität

Die Figur der Vasallia ist komplex – und das meine ich nicht nur im positiven Sinne. Sie ist keineswegs die typische Heldin, sondern eine Frau mit Geschichte, mit Narben, mit Überlebensinstinkt. Ihre Fähigkeiten – besonders in künstlerischen Bereichen – machen sie einzigartig. Was mich besonders angesprochen hat, war die Art, wie sie sich selbst neu erschaffen hat. Ihre Vergangenheit, ihr neuer Name, ihre Flucht aus alten Zwängen – das alles spricht von einem starken Selbstbild, das sich gegen äußere Erwartungen behauptet.

Doch je weiter die Handlung voranschreitet, desto mehr geraten ihre Entscheidungen ins Wanken. Es gibt Entwicklungen, die mich emotional distanziert haben – nicht, weil sie unrealistisch wären, sondern weil sie so viel moralische Reibung erzeugen. Sie wird manipulierbar, handelt instinktiv, manchmal sogar zerstörerisch. Und obwohl ich ihre Beweggründe verstehen konnte, blieb doch ein Rest Unverständnis. Das hat sie für mich schwerer greifbar gemacht, aber nicht uninteressant.



👑 Nebenfiguren & Beziehungsgeflechte

Eine der großen Stärken dieses Romans liegt in der Dynamik zwischen den Figuren. Die Beziehungen sind selten eindeutig – sie schwanken zwischen Vertrauen und Misstrauen, zwischen Zuneigung und Kontrolle. Besonders Copelan war für mich ein Charakter, der konstant an der Grenze zwischen Faszination und Frustration agiert. Seine Ambivalenz – stark, verletzlich, kontrollierend und gleichzeitig tief interessiert – macht ihn zu einer spannenden Figur, die aber auch Unruhe stiftet.

Anton hingegen hat mich überrascht. Seine Figur ist nicht laut, nicht überinszeniert, aber entwickelt mit der Zeit ein ruhiges Gewicht. Ich mochte die leisen Szenen mit ihm – die Art, wie er zuhört, schützt, aber auch hinterfragt. Man weiß lange nicht, ob man ihm trauen kann, und das verleiht der Beziehung zu Vasallia eine interessante Spannung.

Nebenfiguren wie Emilia, Laurent oder Esmée tragen spürbar zur Tiefe des Romans bei. Auch wenn nicht jede Figur komplett auserzählt wird, sind sie mehr als nur Staffage. Besonders ihre Rolle in Vasallias Vergangenheit ist tragend – manche Beziehungen lassen einen als Leser sogar ein bisschen atmen, während andere bedrücken.



⚖️ Handlung & Entwicklung



Der Spannungsbogen entwickelt sich stetig – allerdings nicht ohne Unruhe. Die ersten Kapitel bauen Stimmung und Neugier gut auf, doch gerade im Mittelteil schwankt die Geschichte zwischen emotionaler Tiefe und etwas zu hastigen Entwicklungen. Besonders gegen Ende überschlagen sich die Ereignisse beinahe – als ob die Geschichte sich selbst überholen will.



Einige Handlungsentscheidungen wirkten für mich zu forciert oder zu plötzlich. Es sind spannende Szenen dabei, keine Frage – aber sie hätten mit etwas mehr erzählerischem Raum noch stärker gewirkt. Umgekehrt gibt es stille, berührende Momente, die dafür umso mehr nachhallen. Vor allem dort, wo Vasallia nicht kämpft, sondern beobachtet, zuhört oder verzichtet, war ich als Leserin besonders berührt.



❤️ Emotionalität & innere Konflikte

Es ist kein Liebesroman im klassischen Sinne – und doch ist die emotionale Komponente eine zentrale Triebkraft der Handlung. Was mich positiv überrascht hat, war die Tiefe, mit der zwischenmenschliche Beziehungen beleuchtet werden. Vertrauen spielt eine immense Rolle, ebenso Verrat. Und leider ist es oft schwer, beides auseinanderzuhalten.

Die Liebesdynamik – besonders die Dreiecksstruktur, die sich andeutet – wirkt nicht wie ein plattes Motiv, sondern hat echte Konsequenzen. Gefühle sind hier gefährlich. Entscheidungen, die aus Liebe oder Schuld getroffen werden, verändern Leben – nicht nur symbolisch. Auch wenn ich sagen muss, dass eigentlich schon klar und deutlich gezeigt wird, für wen ihr Herz schlägt



Was mir gefehlt hat, war etwas mehr Luft für die Figuren, ihre Gefühle auch wirklich zu leben. Viele Momente, in denen man sich Nähe gewünscht hätte, werden von äußeren Umständen zerschlagen. Das ist erzählerisch konsequent, aber auch schmerzhaft.



🧠 Moralische Grauzonen & Leserbindung

Eine der schwierigsten Fragen, die sich durch den Roman ziehen, lautet: Wie weit darf man gehen, um sich selbst oder andere zu retten? Und was macht einen „guten“ Menschen aus, wenn man in einer Welt lebt, die keine klaren Regeln mehr kennt?

Vasallia gerät im Laufe der Geschichte immer mehr in eine Grauzone. Und obwohl ich ihre Beweggründe oft nachvollziehen konnte, wurde es für mich als Leserin zunehmend schwer, vollends mit ihr zu fühlen. Das hat meine Verbindung zu ihr verändert – nicht zerstört, aber erschüttert.

Es ist mutig, eine Figur so zu zeichnen, die sich nicht durchgehend als


alles in allem kann ich auf jeden Fall sagen, dass ich das Buch schon sehr spannend fand, mir aber in manchen Stellen einfach dieser Fantasy Anteil zu sehr gefehlt hat. Und die Liebesgeschichte hätte man definitiv auch noch mehr ausweiten können. Das ist jetzt leider erst relativ gegen Ende passiert.