Zwischen Tanz und Täuschung - zu wenig Fantasy für mich!

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julchentim Avatar

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3,5 Sterne (aufgerundet: 4*)

Ich bin ein bisschen hin- und hergerissen von A Dance of Lies. Es gab Momente, in denen ich wirklich drin war, in der Welt, in Vasalies Kopf, im Netz aus Lügen und Machtspielchen. Aber genauso oft wurde ich auch wieder rausgerissen. Und obwohl ich nicht bereue, es gelesen zu haben, hinterlässt es bei mir ein leicht enttäuschtes Gefühl. Gerade weil ich mir viel von der Darstellung chronischer Krankheit in einem Fantasy-Setting erhofft hatte und das leider nicht ganz aufgegangen ist.

Vasalie ist eigentlich eine spannende Figur: eine Tänzerin, gebrochen durch eine lange Zeit im Kerker, körperlich und seelisch gezeichnet. Ihre Reise von der Verzweiflung zurück zu einer Form von Selbstermächtigung war stellenweise berührend. Aber das, was als “Behinderung” eingeführt wurde, blieb für mich zu oberflächlich. Sie soll geschwächt sein, ja, doch sie tanzt, kämpft und spioniert oft, als hätten sie diese zwei Jahre kaum mitgenommen. Ich hätte mir da mehr Tiefe und Kontinuität gewünscht, vor allem, weil die Grundidee so wichtig und vielversprechend war.

Spannend fand ich dagegen den politischen Rahmen, die Versammlung mit ihren Intrigen, der Konkurrenz zwischen den Königsbrüdern, der unterschwelligen Spannung und all den kleinen Machtspielen. Auch die Mischung aus Tanz und Spionage hatte ihren Reiz. Was mir weniger gefallen hat, war die Vielzahl potenzieller Love Interests. Ich hatte das Gefühl, dass die Geschichte nicht so recht wusste, auf welche Richtung sie hinauswill, was nicht unbedingt schlecht sein muss, aber hier wirkte es eher wie unnötiges Drama als echte Entwicklung.

Der Schreibstil selbst war sehr durchwachsen. Teilweise sehr bildhaft und emotional, an anderen Stellen aber überladen und etwas zu bemüht poetisch. Gerade der Anfang zog sich für mich, während das Ende deutlich an Fahrt aufnahm und für einen gelungenen Cliffhanger sorgte.

Unterm Strich war A Dance of Lies ein lesenswertes Buch mit einigen starken Momenten, vor allem was Atmosphäre und Grundkonzept angeht. Aber ich habe nicht genug Verbindung zu den Figuren aufbauen können, und das Potenzial, besonders im Hinblick auf das Thema chronische Krankheit, wurde nicht ausgeschöpft. Wer gern in Intrigen abtaucht, langsame Romanzen und eine winzige Prise Fantasy ohne Magie mit politischer Note mag, wird hier sicher auf seine Kosten kommen. Für mich bleibt es ein solides, aber nicht überragendes Leseerlebnis.