Gelungene, nicht ganz so starke Fortsetzung der Solstasia-Reihe

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alekto Avatar

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Prinzessin Karina ist auf der Flucht vor ihrem Adoptivbruder Farid, nachdem der ihre vor einem Jahrzehnt verstorbene Schwester Hanane wieder zum Leben erweckt hat und nach einem Putsch die Macht in Ziran an sich gerissen hat. Denn Hanane ist als Karinas ältere Schwester vor ihrem Tod die rechtmäßige Thronerbin und zukünftige Herrscherin von Ziran gewesen. An ihrer Seite sind Karina nur noch die Magie begabte junge Afua und die starke Kämpferin Dedele verblieben. Diese begleiten Karina, nachdem sie ihr bei ihrer Flucht aus der Stadt Ziran geholfen haben, nun auf ihrem Weg nach Arkwhesi, um dort um Hilfe zu bitten, da nur die militärische Stärke dieses Reichs Karina ermöglichen kann Ziran zurückerobern.
Malik ist nach seinem Stich ins Herz nicht gestorben, weil Farid ihn gerettet hat. Nun möchte er Malik als seinen Schützling in der Ausübung von Magie unterweisen und so bleibt Malik mit seinen Schwestern Leila und Nadia im Palast. Doch dann fallen Heuschrecken über Ziran her. Ganze Schwärme stürzen sich auf die Menschen in den Städten und in den Dörfern, wo sie die Felder kahl fressen. Denn die Gottheiten, die über Hananes Wiederauferstehung erzürnt sind, haben diese Plage geschickt. So ist das Ritual, das Hanane wieder zum Leben erweckt hat, nur das erste von zwei auszuführenden Ritualen gewesen. Dieses zweite Ritual muss vollzogen werden, um den Zorn der Götter zu besänftigen und dafür ist ein furchtbares Opfer nötig. Sonst wird Ziran von einer Plage nach der nächsten, eine schlimme als die andere heimgesucht werden, bis das ganze Land zerstört sein wird.

"A Psalm of Storms and Silence" ist nach "A Song of Wraiths and Ruin" der zweite Band der Solstasia-Reihe von Roseanne A. Brown, dessen Ereignisse sich nahezu unmittelbar an den ersten Band anschließen. Wie schon der erste Band wird auch dieser Roman bis auf wenige Kapitel, die in Karinas Kindheit spielen, abwechselnd aus Sicht von Karina und dem Eshran Jungen Malik erzählt. Genau genommen sind dies eigentlich drei Sichten, da Malik sich seinen Kopf nun mit dem Flussgott Idir, der einer von Karinas Vorfahren ist, teilt.
Die inneren Zwiegespräche, die Malik mit Idir nur in seinem Kopf führt, gehören für mich zu stärksten Dialogen dieses Buchs. Zunächst kämpfen die beiden um die Kontrolle über Maliks Körper. Doch dann entwickelt sich ihre Beziehung dadurch weiter, dass sie einander besser verstehen können, da sie gezwungen sind, die Welt durch die Augen des jeweils anderen zu sehen. Auch erfährt Malik aus Idirs Gedankengängen und besonders aus seinen Erinnerungen mehr über die Vergangenheit seiner und Karinas Vorfahren.

Wie die Geschichte Zirans in die aktuelle Handlung von Roseanne A. Brown integriert wird, hat mir schon im ersten Band der Reihe gut gefallen und dies wird im zweiten Band in gelungener Weise fortgeführt. Denn relevante Ereignisse der Vergangenheit, die sich Malik und Karina nach und nach erschließen, werden nicht nur um ihrer selbst willen erzählt, sondern haben konkrete Auswirkungen auf die Gegenwart - etwa auf die Entscheidungen, die Malik und Karina treffen, aber auch darau, wie sie einander sehen. Nachdem die Historie Zirans im Vorgänger primär Karinas Vorfahren betraf, stellt dieser Roman nun auch Maliks Ahnen vor.
Da "A Song of Wraiths and Ruin" ausschließlich in der Stadt Ziran gespielt hat, hatte ich mich darauf gefreut, in "A Psalm of Storms and Silence" mehr von der phantastischen Welt Sonandes jenseits der Stadtmauern kennenzulernen. Spannend fand ich also, dass Karina im Dorf Tiru auf den desertierten Sentinel Caracal (d.h. einen Magie begabten Elitekrieger aus der Leibgarde der Herrscher von Ziran) traf. Denn Caracal schlägt sich seit seiner Flucht aus Ziran als Dieb durch und führt Karina, die er eigentlich zuerst entführen wollte, um das von Farid auf sie ausgesetzte Kopfgeld zu kassieren, in die Stadt der Diebe. Das ist eine so gut in einer Schlucht versteckte Stadt, dass sie bislang unentdeckt blieb. In dieser hausen mörderische Diebe, die nirgendwo anders hin können, aber dort nach einem strikten Kodex leben. Die Stadt der Diebe habe ich als so interessante wie stimmige Erweiterung des ersten Bandes erlebt, hätte aber gerne noch viel mehr von der über die Stadt Ziran hinausreichenden Welt Sonandes (z.B. Ostwasser-Savanne, Schneelande, Wassira) kennengelernt.

"A Psalm of Storms and Silence" hat sich für mich leider insgesamt zu wenig von "A Song of Wraiths and Ruin" unterschieden. Ich hätte mir mehr neue Motive gewünscht statt nur die Elemente des ersten, tollen Bandes zu variieren, was für mich wohl besonders deutlich gewesen ist, da ich den zweiten Band nur mit einem kurzen zeitlichen Abstand zum ersten gelesen habe.
Das betrifft etwa Ife - den Weggefährten des ehemaligen Sentinels Caracal, was ich besonders schade finde, da Ife an sich eine interessante Figur ist, die verdient hätte, dass Roseanne A. Brown weit mehr aus sieer gemacht hätte. Ife redet wiederholt so, als ob Karina, Caracal und sieer eine Geschichte erleben würden. Das soll wohl eine Meta Ebene in die Geschichte hineinbringen, funktioniert aber leider nur bedingt, und ist in Gestalt der Gaunerhalunkin und Geschichtenerzählerin Hyäne auch schon weit besser von der Autorin umgesetzt worden.

Dass die Herausforderungen, denen sich Karina und Malik im zweiten Band stellen müssen größer und gefährlicher als im ersten Band sind liegt wohl in der Natur einer solchen Reihe. Leider ist für mich die unheimliche Totenstadt im Vorgänger eindrucksvoller als die sagenumwobene Heimat Doro Lekke der Zawenji Magier, zu denen Karina gehört, gewesen. Auch die Plagen, die aus Heuschrecken Schwärmen, Erdbeben und einer Seuche bestehen, haben leider nicht meinen persönlichen Geschmack getroffen, da sie mir zu biblisch bzw. alt-testamentarisch gewesen sind. Dabei konnte mich nur die letzte Plage in Gestalt des Untiers samt des darin beinhalteten überraschenden Twists überzeugen.
Gut gefallen hätte mir, wenn dieser Roman im Gegensatz zu seinem Vorgänger nicht nahezu ausschließlich aus Sicht von Mailk und Karina erzählt worden wäre, sondern weitere Perspektiven beinhaltet hätte. Dafür hätte sich Karinas Schwester Hanane angeboten, die mit sich selbst ringt, da sich alles in den zehn Jahren seit ihrem Tod verändert hat, außer ihr selbst. Andererseits ist sie die Hanane, die ihr ganzes Leben lang auf die Rolle, Herrscherin von Ziran zu sein, vorbereitet und dazu erzogen wurde. Wenn Ziran von Plagen heimgesucht wird, dann möchte sie ihrem Volk helfen und es schützen. Diese Widersprüche machen Hanane zu einem der vielschichtigsten Charaktere dieses Romans, von dem ich gern mehr erfahren hätte. Aber auch die Sichtweise der Kämpferin Dedele, die Karina zur Flucht aus der Stadt Ziran verhalf, von Adetundes kleinem Bruder Adewale, der um seinen großen Bruder trauert, von Karinas Zofe Aminata, die nach Karinas Flucht in Ziran zurückgeblieben ist, und von Maliks Schwester Leila, die sich zu Hanane hingezogen fühlt, hätten mich interessiert.
So findet "A Psalm of Storms and Silence" zu einem Ende, das ich für Malik und Karina als stimmig empfunden habe. Leider sind dabei für mich einige Fragen offen geblieben, die primär die Nebencharaktere betreffen. So hätte ich gerne gewusst, wie es Dedele, Afua, Tundes kleinem Bruder oder auch Yaema, die Malik bei seiner Suche nach dem Zepter und der Flöte, die für das Ritual der Erneuerung erforderlich sind, geholfen hat, weiterhin ergangen ist.