Bizarr, anspruchsvoll, kafkaesk

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wandablue Avatar

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Alexandra Kleeman hat ein anspruchsvolles Debüt auf den Markt gebracht und manchen Leser dabei überfordert.

Die erste Problematik liegt darin, dass die Figuren keine Namen tragen, sie sind als Buchstaben markiert und unpersönlich. Diese Unpersönlichkeit ist gewollt und ohne sie funktioniert der Roman nicht. Denn es geht um Menschen, die ihre Identität nicht gefunden haben oder deren Persönlichkeit so labil ist, dass sie leicht verschwimmt. Somit fehlt die sympathietragende Identifikationsebene, die der geneigte Leser so sehr schätzt. Andererseits könnte A jederman/jedefrau sein. Also auch ich. Also auch du.

Die zweite Problematik liegt in der Symbollastigkeit des Geschehens. Eine Handlung im „normalen Sinn“ gibt es nicht, sondern es werden innere Vorgänge anhand einer surrealistischen (oder fiktionalen) Aussenwelt dargestellt, deren Deutung vollkommen der Leserschaft überlassen bleibt. Je nachdem wie man gestrickt ist, liegt darin eine Schwäche oder auch eine Stärke des Romans. Auf alle Fälle ist es für jeden Autoren gewagt, dem Leser so gar nichts an die Hand zu geben. Selbst bei dem Sieger des Buchpreises 2015 „Die Erfindung der Roten Armee Fraktion durch einen Teenager im Sommer des Jahres 1969“ von F. Witzel habe ich mehr Erläuterungen zum Geschehen gefunden. Andererseits leben auch so spezielle Romane wie „Der Prozeß“ und „Das Schloß“ von Franz Kafka von purer Interpretation. Deswegen sind sie auch so beliebt ;-).

Der Titel, ausnahmsweise einmal wirklich bedeutsam, ist das einzige eindeutige Indiz dafür, um wie viele Personen es sich handelt: nämlich um A und C. A ist eine Doppelidentität. Die Persönlichkeit schwingt zwischen der A-Wesenheit und B-Wesenheit hin und her. (Ich habe eine Weile gebraucht, um dem auf die Spur zu kommen).

Weiterhin geht es um Anpassung und Konsum. Perverse Kandy Kake Werbungen werden in aller Ausführlichkeit beschrieben, eine Sekte „Die Kirche der Vereinigten Esser“ macht auf den Helligkeitswert und Dunkelheitswert von Nahrungsmitteln aufmerksam.

Der Roman „A wie B und C“, ist oft schwer verdaulich und begreiflich, alles, auch die Farben haben eine psychologisch zu wertende Interpretation. Anderes ist klarer als gesellschaftskritisch kenntlich, z.B. zieht die Autorin anhand der Gameshow „Das ist mein Partner“ die Linie von den jetzt schon (anteilig) entwürdigenden und demütigenden Fernsehshows durch bis zu ihrem völlig pervertierten Ende.

Die Funktion von C ist mir nicht ganz klar geworden. Ich sehe in der auf wenige Felder reduzierten Beziehung zwischen A und C eine weitere Spielart von pervertierter Abhängigkeit und fehlender Ichstabilität.

Fazit: Ein Deutungsroman in bizarrer Spielart. Sehr erstaunlich für eine Debütantin. Ganz sicher keine leichte Kost.

Kategorie: Anspruchsvolle Literatur
Verlag: Kein & Aber, 2016