Richtig oder Moralisch?

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heike lohr Avatar

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"Abschied auf Italienisch" erscheint mir ein sehr mehrdeutiger Titel zu sein, nachdem ich das Buch verschlungen habe. Der Commissario Vito Grassi (ein italienischer Allerweltsname) scheint ein durchschnittlicher Mensch zu sein, was irgendwie nicht stimmt.
Er ist ein widersprüchlicher Charakter - zwischen bequem und unbequem engagiert hin- und her-gerissen - , der sich auf seinen Instinkt verlässt. Deswegen hat er sehr viele Erfolge. Warum er jetzt in die Kleinstadt zieht, ist leicht erklärt und sehr plausibel, so wie alles in sich stimmig wirkt. Das, was wir im Buch erleben, ist authentisch und aus dem Leben gegriffen. Die Übersetzung schwankt zwar hin und wieder zwischen Questore und Quästorin hin und her, doch Charaktere und das italienische Flair sind gut getroffen.
Auch die zwischenmenschlichen Unstimmigkeiten passen wunderbar und sind so geschickt dargestellt, dass ich nur sagen kann: "Hut ab. Chapeau".
Der Pathologe Renza erinnert irgendwie an Andrea Camillerieris Pathologen Pasquano.
Essen und Trinken spielen eine große Rolle. Wovon wird also Abschied genommen? Erstens einmal nimmt Vito von seinem verstorbenen Vater, der ihm das Haus hinterlassen Abschied. Zweitens nimmt er von seinem eher jugendlichen Alter Abschied, da seine Kinder schon erwachsen sind und studieren. Drittens nimmt er auch Abschied von seinen Vorurteilen und dass er seinem Vater nie erziehen hat, eine Ohrfeige bekommen zu haben, weil er kurz nach dem Tod seiner Mutter bei einem Telefonanruf gelacht hat. Viertens nimmt er Abschied von seinen Gewohnheiten und seinem Stadtleben, um sich am Land und in die dortige Polizeiarbeit einzuleben. Offen bleibt, ob seine Frau ihm dorthin folgen wird. Kurzum, dieses Lesevergnügen hilft uns mit Transitionen in neue Lebensabschnitte umzugehen, während wir voller Spannung auf die Lösung des Falls hinlesen. Kurzum ein Lesevergnügen mit dem Prädikat wertvoll.
Das Titelbild erscheint mir stimmig und passend zu dem Flair dieser Landschaft sowie der Geschichte. Achja, ich liebe Italien und die italienische Mentalität.