Ein Buch, das herausfordert und nachwirkt – zwischen Plattenbau und Filmbranche

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In "Achtzehnter Stock" erzählt Sara Gmuer die Geschichte einer Frau, die zwischen zwei Welten steht – dem Berliner Plattenbau, in dem sie mit ihrer Tochter lebt, und der verheißungsvollen Welt des Films, die ihr immer nur knapp entgleitet. Die Autorin, die selbst aus der Film- und Musikbranche kommt, kennt das Milieu, das sie beschreibt, aus eigener Erfahrung und bringt diese Authentizität in ihren Roman ein. Gmuer, geboren in Locarno und heute in Berlin lebend, hat als Schauspielerin, Texterin und Musikerin gearbeitet – und in Achtzehnter Stock findet sie ihre eigene literarische Stimme.

Worum geht’s genau?
Wanda hat sich ihr Leben anders vorgestellt. Statt eines glamourösen Schauspielerdaseins fristet sie ihren Alltag mit ihrer fünfjährigen Tochter Karlie in einem Berliner Plattenbau – im achtzehnten Stock eines Hochhauses mit defektem Aufzug. Die Tristesse des Viertels, das Gefühl des Stillstands und die klaustrophobische Enge ihres Alltags bedrücken sie. Als sich eine Gelegenheit ergibt, in die Welt des Films einzutauchen, greift sie nach dem Strohhalm. Plötzlich ist sie mittendrin in einer Umgebung, in der Türen immer offenstehen und Geld keine Rolle spielt. Doch je weiter sie sich von ihrem bisherigen Leben entfernt, desto stärker wird ihr bewusst, dass sich manche Dinge nicht so leicht abschütteln lassen.

Meine Meinung
Ich habe das Buch innerhalb von zwei Tagen gelesen – es war fesselnd und atmosphärisch dicht. Besonders das Setting hat mich sofort an "Paradise" Garden von Elena Fischer erinnert, eines meiner Lesehighlights im letzten Jahr. Diese Ähnlichkeit hat mich direkt neugierig gemacht, und "Achtzehnter Stock" konnte meine Erwartungen über weite Strecken auch erfüllen.

Der größte Pluspunkt des Romans sind die vielschichtigen Figuren. Besonders Wanda ist eine Protagonistin, die mich herausgefordert hat. Sie ist nicht durchweg sympathisch – an manchen Stellen wollte ich ihr beim Lesen am liebsten ins Gewissen reden, besonders wenn es um ihre Tochter Karlie ging. Dann wiederum gab es Momente, in denen ich sie vollkommen verstanden habe. Ich schätze es sehr, wenn Figuren nicht glatt oder vorhersehbar sind, sondern mit ihren Ecken und Kanten zum Nachdenken anregen.

Auch thematisch hat der Roman einiges zu bieten: Schuld, Familie, Mutterschaft, Corona und Verschwörungstheorien, soziale Milieus, nachbarschaftliche Beziehungen und die Verheißungen (und Fallstricke) der Filmbranche – all das verwebt Gmuer in ihrer Geschichte. Besonders einprägsam fand ich die Auseinandersetzung mit der sozialen Herkunft und der Frage, wie schwer es ist, sich aus bestimmten Lebensumständen zu befreien. Der Roman zeigt, wie sehr uns unsere Herkunft prägt und wie schwierig es ist, die unsichtbaren Barrieren zwischen sozialen Schichten zu durchbrechen – nicht nur finanziell, sondern auch in unserem Denken und Verhalten.

Was mir jedoch etwas gefehlt hat, waren die sprachlichen Feinheiten. Obwohl der Schreibstil angenehm zu lesen ist, hatte ich selten das Bedürfnis, mir einzelne Sätze zu markieren. Zudem ging mir die innere Wandlung der Protagonistin gegen Ende etwas zu schnell – es fühlte sich an, als hätte die Geschichte hier ein paar Seiten mehr gebraucht, um die Entwicklung plausibler darzustellen.

Fazit
"Achtzehnter" Stock ist ein Roman, der durch seine starke Atmosphäre, authentische Figuren und relevante Themen überzeugt. Obwohl mich das Ende nicht ganz zufriedenstellen konnte, hat mich das Buch insgesamt sehr begeistert. Ein vielschichtiger, kluger Roman über Herkunft, Träume und die Schwierigkeit, sich von alten Mustern zu lösen. Dafür vergebe ich solide 4 von 5 Sternen.