Einmal Platte, immer Platte?

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shiva2308 Avatar

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Cover:
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Das Titelbild sieht gar nicht so trist aus, wie man es von einem Plattenbau und der Geschichte vermuten würde. Durch den blauen Himmel wirkt es fast romantisch und hoffnungsvoll. Daher ein Grund für mich, den Roman zu lesen, auch wenn der Beschreibungstext mich zunächst skeptisch gemacht hat.

Inhalt:
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"Ich hätte ihm nicht schreiben dürfen. Es war ein Fehler. Ich bin nicht frei. Niemand ist frei. Es entscheiden immer die anderen, was man wert ist. Egal, was man sich einredet, wir sind alle Opfer." (E-Book, S. 96)

Wanda ist alleinerziehende Mutter der fünfjährigen Karlie und lebt mit ihr in einer Plattenbau-Siedlung in Berlin im achtzehnten Stock. Sie träumt davon, auszubrechen und ihrer Tochter ein besseres Leben zu ermöglichen. Sie strebt an, als Schauspielerin groß rauszukommen und ein Star zu werden. Als sie nach vielen ungezählten Versuchen endlich eine Hauptrolle bekommt, scheint ihr Traum sich zu erfüllen. Doch das Glück ist sehr zerbrechlich, und schließlich stellt sich die Frage, ob man seine Herkunft verleugnen und aus seinem ursprünglichen Leben ausbrechen kann oder letztendlich dort verwurzelt bleibt. Und ist es überhaupt erstrebenswert, ein anderes Leben anzustreben?

Mein Eindruck:
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Die Frage, inwieweit ein Mensch durch seine Herkunft bestimmt ist oder ihm ein Ausbruch in ein vermeintlich "besseres Leben" gelingen kann, fand ich immer schon spannend. Daher hat mich dieser Roman interessiert. Die Geschichte ist aus der Ich-Perspektive von Wanda geschrieben. Aus ihrer Sicht erlebt der Leser hautnah die Enge der Sozialbausiedlung, den täglichen Überlebenskampf, aber auch den Zusammenhalt der Bewohner und die Liebe, die Wanda für ihre Tochter empfindet. Das Buch entwickelte durch den Schreibstil einen regelrechten Sog auf mich. Ich konnte die Hoffnung, aber auch die Verzweiflung sowie manchmal die leicht überheblichen Gefühle gegenüber den anderen gut nachempfinden. Nichts desto trotz empfand ich Wandas Verhalten auch manchmal verantwortunglos, wenn sie Karlie längere Zeit alleine lässt oder sie gegenüber ihrem Schauspielergeliebten verschweigt.
Ich bin in meinem Leben bisher glücklicherweise noch nicht in Kontakt mit solchen Situationen wie Wanda gekommen. Ich kann mir aber vorstellen, dass das Leben in einer Plattenbau-Siedlung so verlaufen kann und auch die Dekadenzen des Film-Business sind gut, aber auch gesellschaftskritisch beschrieben.
Gegen Ende nimmt die Handlung eine unerwartete Wende und den Schluss empfand ich als etwas kitschig und unrealistisch, aber auch hoffnungsvoll. "Hart und rau und schön" trifft es sehr gut. Insgesamt ein gutes Debüt von Frau Gmuer.

Fazit:
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Gesellschaftskritischer Roman in fesselndem Erzählstil und mit vielen Emotionen, der aber am Ende leider etwas kitschig-unrealistisch wird.