Ada

Interessante Fortsetzung der faszinierenden Familiengeschichte

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INHALT
In seinem neuen Roman erzählt Christian Berkel die Geschichte von Ada:
Mit ihrer jüdischen Mutter aus Nachkriegsdeutschland nach Argentinien geflohen, vaterlos aufgewachsen in einem katholischen Land, kehrt sie 1955 mit ihrer Mutter Sala nach Berlin zurück. In eine ihr fremde Heimat, deren Sprache sie nicht spricht. Dort trifft sie auf den lange ersehnten Vater Otto, doch das Familienglück bleibt aus. In einer noch immer sehr autoritär geprägten Gesellschaft wächst Adas Sehnsucht nach Freiheit und Unabhängigkeit. Die Studentenbewegungen der sechziger Jahre werden ihre Rettung. In Paris lernt sie bei ihrer Tante Lola die Mode- und Kunstwelt kennen. Am Ende steht Woodstock - ein dreitägiges mystisches Erlebnis, das Ada verändert.

Vor dem Hintergrund umwälzender historischer Ereignisse erzählt Christian Berkel von der Schuld und der Liebe, von der Sprachlosigkeit und der Sehnsucht, vom Suchen und Ankommen – und beweist sich einmal mehr als mitreißender Erzähler.
(Quelle: Ullstein – Erscheinungstermin: 10.12.2020 - ISBN: 9783550200465)


MEINE MEINUNG
Mit seinem äußerst erfolgreichen Debütroman „Der Apfelbaum“ hat sich der bekannte deutsche Schauspieler Christian Berkel an ein sehr persönliches Projekt herangewagt, das ihn tief in seine bewegte Familiengeschichte und zu seinen familiären Wurzeln hat abtauchen lassen.
Mit seinem neuen Roman „Ada“ setzt er nun seine äußerst faszinierende, biografisch inspirierte und als Dreiteiler geplante Familiensaga fort. Obwohl Berkel seine sehr beeindruckende und tiefgründige Familiengeschichte in diesem zweiten Band weiterführt und wir in vielen Episoden seinen Eltern und Großeltern wieder begegnen, kann dieser problemlos auch ohne Vorkenntnisse als eigenständiger Roman gelesen werden.
In der Rahmenhandlung, die zum Mauerfall und der Wende in Deutschland angesiedelt ist, lernen wir die erwachsene Titelheldin und Ich-Erzählerin Ada kennen, die während ihrer psychotherapeutischen Gespräche auf ihre Kindheit, Jugend und ihre schwierige Beziehung zu ihrer dysfunktionalen Familie zurückblickt. Die Haupthandlung spielt somit hauptsächlich in den 1950er und 1960er Jahren. Angelegt ist die Protagonistin Ada als fiktive, ältere Schwester des Autors, die als kleines Mädchen mit ihrer jüdischen Mutter Sala lange Zeit in Argentinien gelebt hat und Mitte der 1950er Jahren schließlich nach West-Berlin zurückkehrt.
Abwechslungsreich und einfühlsam lässt uns der Autor aus Sicht seiner jungen Protagonistin an ihrem Einleben in eine ihr gänzlich unbekannte und befremdliche Welt und ihrem schwierigen Gefühlsleben teilhaben. Ada findet sich zwar in ihre Außenseiterrolle ein. Insbesondere nach der Geburt ihres jüngerer Bruders „Sputnik“, dem Liebling der Eltern, fühlt sie sich unerwünscht und emotional vernachlässigt und ist sich oft selbst überlassen. In vielen anschaulichen Episoden erleben wir aus Adas Sicht, die zugleich stellvertretend für eine ganze Generation des jungen Nachkriegsdeutschland steht, ein Aufwachsen in der prosperierenden Adenauer-Ära und Adas wachsenden Problemen mit ihren Eltern, die sich verbissen über ihre teils traumatischen Erlebnisse während des 2. Weltkriegs und der Nazidiktatur in Schweigen hüllen. Gekonnt thematisiert Christian Berkel in seinem Roman das in Familien der damaligen Nachkriegszeit sehr verbreitete Phänomen des großen Schweigens und einer plötzlichen Sprachlosigkeit. In der glorreichen Wirtschaftswunderzeit, in der alle hoffnungsvoll nach vorne blickten und endlich all ihre Traumata hinter sich lassen wollten, stößt auch die junge Ada bei ihren Eltern auf eine undurchdringliche Mauer des Schweigens, wenn es um die Vergangenheit geht.
Gebannt folgt man Adas Jugenderlebnissen mit all ihren Höhen und Tiefen und jeder Menge schmerzvoller Erfahrungen auf der Suche nach ihrer Identität und ihrem Platz im Leben. Auch sie – ganz ein Kind der wilden 68er-Generation – begehrt mit ihrem rebellischen Charakter schließlich gegen die spießige, einengende Normalität der „Kriegsgeneration“ und das Verdrängen und Schweigen ihrer Eltern auf, geht als Studentin zum Demonstrieren auf die Straße und experimentiert mit Drogen.
Hervorragend hat Berkel seine unterschiedlichen, sehr faszinierenden Charaktere mit all ihren Eigenheit und inneren Dämonen eingefangen und zum Leben erweckt. Ob nun Adas unnahbare, schwierige Mutter Sala, die wegen ihrer jüdischen Wurzeln aus Nazideutschland fliehen musste, oder ihr Vater Otto, Salas Jugendliebe, ein durchsetzungsstarkes Arbeiterkind, das sich zum Arzt hochgearbeitet hatte und Krieg und russische Kriegsgefangenschaft durchleben musste, der aber möglicherweise gar nicht Adas leiblicher Vater ist, - sie alle sind sehr facettenreich und glaubwürdig gezeichnet. Mit seinem sehr ansprechenden, einfühlsamen Schreibstil versteht es Berkel, die zwiespältigen Stimmungen seiner jungen Protagonistin nachvollziehbar einzufangen und eine oftmals sehr bedrückende Atmosphäre entstehen zu lassen.
Der Roman endet schließlich mit dem Adas Abnabelungsprozess und ihrer Emanzipation von ihrer Familie recht versöhnlich und hoffnungsvoll. Man darf sehr gespannt sein, wie die mitreißende Familiengeschichte fortgeführt wird, und welche weitere Entwicklung Ada nehmen wird.

FAZIT
Eine bewegende und beeindruckende Fortsetzung der Familiengeschichte, äußerst einfühlsam erzählt und eine absolut empfehlenswerte Lektüre!