Ada

Melancholische Identitätssuche einer Nachkriegsgeborenen

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Als Schauspieler kennt man Christian Berkel schon länger und als Autor legt er inzwischen auch schon den zweiten Roman, nämlich „Ada“ vor. Schreibt er so gut, wie er spielt?
Die Geschichte handelt von der 1945 geborenen Ada, deren jüdische Mutter nach Kriegsende für knapp 10 Jahre nach Argentinien geht, um dann nach Berlin zurückzukehren. Dort versuchen sie ihr Familienleben mit Adas Vater Otto „wiederzubeleben“, doch der Versuch will nur bedingt gelingen – zu groß ist der Schatten unausgesprochener Tatsachen, Verletzungen … das ist mit ihrer neuen alten Heimat Deutschland nicht viel anders: Vieles wird totgeschwiegen – und Ada fühlt sich fremd, in diesem Land, dessen Sprache sie nicht kennt. Erzählt wird die Geschichte aus Adas Perspektive, die ihrem Therapeuten ihr Leben erzählt, als sie Mitte Vierzig ist. Insofern sehen wir Ada aus ihrer eigenen Sicht auf sich und lernen sie aus Rückblicken auf ihr Leben, vor allem ihre Kindheit und Jugend kennen. Wir lernen eine Frau kennen, die auf der Suche nach sich selbst ist (und dazu hat sie als offenbar ungewolltes Kind mit allem, was das so mit sich bringt, jeden Anlass) – aber wir lernen auch viel über die Nachkriegsgeschichte bis zum Mauerfall.
Berkel schafft Erstaunliches: Zum einen habe ich selten erlebt, dass ein Mann so gut aus Frauenperspektive erzählt hat. Das Ganze geschieht noch dazu unaufdringlich, aber doch eindringlich (eine treffendere Beschreibung will sich einfach nicht einfinden). Dabei finde ich die Sprache nicht einmal besonders literarisch, sondern vielmehr scheint man aus ihr herauslesen zu können, dass Berkel zunächst eben Schauspieler ist: Da kommt mal eine dialektale Passage, das Ganze scheint in Ansätzen fast wie ein Drehbuch (vielleicht lese ich das aber so im Wissen, dass der Autor Schauspieler ist). Dass „Ada“ quasi auf „Der Apfelbaum“ aufsetzt, war mir nicht bewusst, ist aber mein Fehler. Vielleicht bleiben deshalb manche Fragen offen (gibt es da Hinweise, wie sich diese Leerräume füllen?), was den Lesegenuss etwas schmälert, nichtsdestotrotz kommt man auch ohne Kennntis des Apfelbaums klar. Dann ist „Ada“ eben vorwiegend die Geschichte einer Frau der Nachkriegszeit mit dem gesamten dieser Zeit immanenten Generationen- und Kommunikationsproblem, die eben auch einen Blick auf diese Zeit wirft. Eine melancholische Geschichte über Familien, Identitätssuche und vor allem auch die Nachkriegszeit und ihre Auswirkungen auf die Menschen in Deutschland. Fazit aus meiner Perspektive: Ja, Berkel kann schreiben, aber das ist nicht jedermanns Sache (meine nicht so sehr); die Geschichte ist interessant, hat mich aber nicht wirklich zu fesseln vermocht – insofern gibt es abgerundete 3,5 Sterne, weil letztlich jeder selbst entscheiden sollte, ob ihm Geschichte und Schreibstil zusagen.