„Die Patinnen“ aus Isael

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robertp Avatar

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Das Titelbild wird erst auf dem zweiten Blick erkennbar. Es zeigt prominent eine Getreideähre, gehalten von einer, rot, behandschuhten Hand. Schaut man genauer, bemerkt man, dass die Ähre aus einem Maschinengewehr entspringt. Ein Synonym für Palästina, das seine wirtschaftlichen Erfolge nur durch ständige Militärpräsenz und Landwirtschaft erzielt? Jedenfalls ein aktuelles Buch, angesichts des Krieges in Israel.
Es ist eine Familensaga aus der Sicht der weiblichen Familienmitglieder über die Jahrzehnte hinweg er zählt. Die Geschichte ist getränkt in Blut und Tod, der seit Anbeginn des Staates Israel das Leben ihrer BewohnerInnen prägt.
Als Staat im Staat steht hier der Kibbuz Trashim, eine Siedlung mit gemeinschaftlichem Eigentum und basisdemokratischer Verwaltung, dessen Entwicklung sich im Roman entdecken lässt. Wozu brauchen Menschen Geld fragen die Kinder sich hier. Sie werden den Müttern nach der Geburt entzogen, wachsen in einer eigenen Sozietät – überwacht von der Metapelet (Kindergärtnerin) – auf und sind aller Sorgen enthoben. Eltern – meist die Mütter – kennen sie nur von flüchtigen Besuchen, sie spielen keine Rolle. Dementsprechend schwierig ist es die Gemeinschaft zu verlassen, Beziehungen zu „Fremden“ aufzubauen, weil sich alles innerhalb des kleinen Kosmos Kibbuz abspielt. Im Roman schaffen das nur einige Männer (und kommen dabei auf die „schiefe Bahn“). Innerhalb des Kibbuz kennen alle jedes Geheimnis der anderen, auch wenn es noch so tief vergraben wird (Tote, Folterkammern, Waffenverstecke u.a.m.).
Der Roman beschreibt anhand einer Familie (kann man diese losen Verbindungen überhaupt Familie nennen?) die Entstehung Israels aus der Perspektive der Kibbuzim. Diese Geschichte ist gewalttätig, Liebe und Verrat spielen Hauptrollen in der Beziehung zwischen den Menschen.
Die Frauen im Kibbuz bestimmen den Fortschritt der Kommune, sie sind die „Gründerinnen“ und gehen dabei auch über Leichen. Das Lesen des Buches erforderte von mir enorme Anstrengung. Die handelnden Personen werden erst nach und nach in ihren Positionen zueinander erkennbar. Die Lebensgeschichten werden ineinander verschachtelt abgehandelt und als LeserIn muss man auf jedes Detail achten, es kann wichtig in einem anderen Buchabschnitt sein. Die Gewalt, die die agierenden Personen ausüben scheint ihnen immanent, sie kennen kaum ein Gewissen.
Anmerkung: Eine Art Stammbaum der Familie um Hanna, Esther und Ruth wäre hilfreich. Ich habe ihn mir beim Lesen angefertigt, um den Überblick zu bewahren.
Für alle die das heutige Israel besser kennenlernen wollen. Wir erfahren die Leiden und Freuden einer Generation von Siedlern, die ein neues Leben in gemeinschaftlicher Verantwortung führen wollen und erkennen beim Lesen, dass Probleme sich bis in die Neuzeit nicht lösen lassen. Überaus spannend zu lesen, aber man muss verdammt aufpassen um nichts zu versäumen.