Es gibt kein "Adama" ohne "dam"
Eines ist sicher: „Adama“ ist ein Buch, das nachhallt. Ist nur die Frage, ob im Guten oder im Schlechten. Dieses Buch hat definitiv Potenzial für Beides.
Denn alleine schon das Thema, das diesem Buch zugrunde liegt, nämlich die Gründung des Staates Israel, polarisiert. Noch pikanter: Lavie Tidhar beschreibt diesen in erster Linie als Akt der Gewalt – und zwar von Seiten der Juden. „(Sie waren) Herrscher in diesem Land, diesem ‚Adama‘. Sie hatte das Wort im Hebräisch-Unterricht gelernt und hasste es. ‚Es gibt kein A-d-a-m-a ohne d-a-m‘, hatte ihr erster Lehrer stolz erklärt. ‚Dam‘ war hebräisch und bedeutete Blut.“ (S. 224)
Lavie Tidhar ist selbst in einem Kibbuz aufgewachsen. Als Leser ahnt man, dass seine Erfahrungen in dieser engen Gemeinschaft wohl am ehesten denen von Ophek und Lior gleichen, weil er – wenn auch eher hintergründig – einige Kritik an diesem System übt. Wenig subtil hingegen führt er aus, dass die Juden buchstäblich über Leichen gingen, um ihren eigenen Staat zu gründen.
So ist denn dieses Buch ein blutiges. Sicher kein klassischer Thriller, obwohl als solchen bezeichnet, aber dennoch ein Buch, für das man einen starken Magen braucht. Neben der Handlung, in der viele Waffen, Gewalt, Zigaretten, Sex und Tote eine wichtige Rolle spielen und fast jede auftretende Person irgendwann kotzt, ist es auch sprachlich herausfordernd mit so manch einer unappetitlichen Beschreibung, die es vielleicht nicht unbedingt gebraucht hätte. Einige davon können wohl schon als „hinüber“ bezeichnet werden.
Übertrieben wirken außerdem einige Charakterzeichnungen, insbesondere Ruth. Sie ist eine starke Frauenfigur und auf faszinierende Weise „morally grey“, doch es fehlt ihr an Authentizität, ihre Motive bleiben unklar. Ähnliches gilt für Lior, ihren Enkel, dem man sein eiskaltes Gangstergehabe irgendwie nicht so richtig abnimmt. In manchen Szenen kommt der Verdacht auf, dass der Autor fehlenden Tiefgang mit Splattereffekten zu kaschieren versucht – leider keine so gute Idee.
Andere Ideen wiederum sind einfach nur brillant. Die einzelnen und unterschiedlich langen Abschnitte spielen zu verschiedenen Zeiten (zwischen 1943 bis 2009) an verschiedenen Orten (überwiegend in Palästina / Israel, aber auch USA und Deutschland) mit verschiedenen Personen im Fokus. Sie alle stehen in einer bestimmten Beziehung zu Ruth, doch in welcher, entblättert sich manchmal erst im Laufe der Lektüre. Das benötigt eine gewisse Aufmerksamkeit beim Lesen, erhöht aber auch die Spannung und die Komplexität dieses Romans. Immer wieder streut Tidhar Hinweise auf Vergangenes oder Geheimgehaltenes ein, erwähnt Gegenstände oder Namen, die andernorts wieder auftauchen, verrät den Fortlauf von abgeschlossen geglaubten Nebensträngen, wiederholt manchmal wörtlich gewisse Sätze in einem völlig neuen Zusammenhang. Wie ein Puzzle setzt sich das Gesamtbild zusammen, und das Puzzeln hat mir unheimlich viel Spaß bereitet, weil sich die meisten Fragen irgendwann klären.
Sogar die Rahmenhandlung, die erstmal nicht zum Rest der Story zu passen scheint, fügt sich ein. Sie schlägt einen Bogen, der bewusst in einer uns geläufigeren (Fast-)Gegenwart landet. Mich hat die persönliche Erkenntnis, wie wenig ich von den inneren und äußeren Kämpfen meiner Vorfahren weiß, unerwartet heftig getroffen.
Für mich ein Grund, doch noch den vierten Stern zu zücken, nach einem teilweise absolut packenden, aber teilweise auch absolut abstoßenden Leseerlebnis.
Fazit: „Adama“ ist weniger Thriller, als eher eine blutige, kunstvoll verschachtelt erzählte Familiengeschichte über mehrere Generationen im Umfeld eines Kibbuz. Trotz des strittigen Grundthemas sind die neuen Erkenntnisse über die idealistisch-politischen Hintergründe leider nur oberflächlicher Art. Allerdings vermag das Buch gerade in dieser drastischen, gewalt-betonten Form auch eine Erklärung abzuliefern, warum auf diesem Stück Erde ein friedliches Zusammenleben so unmöglich erscheint wie fast nirgendwo sonst.
Denn alleine schon das Thema, das diesem Buch zugrunde liegt, nämlich die Gründung des Staates Israel, polarisiert. Noch pikanter: Lavie Tidhar beschreibt diesen in erster Linie als Akt der Gewalt – und zwar von Seiten der Juden. „(Sie waren) Herrscher in diesem Land, diesem ‚Adama‘. Sie hatte das Wort im Hebräisch-Unterricht gelernt und hasste es. ‚Es gibt kein A-d-a-m-a ohne d-a-m‘, hatte ihr erster Lehrer stolz erklärt. ‚Dam‘ war hebräisch und bedeutete Blut.“ (S. 224)
Lavie Tidhar ist selbst in einem Kibbuz aufgewachsen. Als Leser ahnt man, dass seine Erfahrungen in dieser engen Gemeinschaft wohl am ehesten denen von Ophek und Lior gleichen, weil er – wenn auch eher hintergründig – einige Kritik an diesem System übt. Wenig subtil hingegen führt er aus, dass die Juden buchstäblich über Leichen gingen, um ihren eigenen Staat zu gründen.
So ist denn dieses Buch ein blutiges. Sicher kein klassischer Thriller, obwohl als solchen bezeichnet, aber dennoch ein Buch, für das man einen starken Magen braucht. Neben der Handlung, in der viele Waffen, Gewalt, Zigaretten, Sex und Tote eine wichtige Rolle spielen und fast jede auftretende Person irgendwann kotzt, ist es auch sprachlich herausfordernd mit so manch einer unappetitlichen Beschreibung, die es vielleicht nicht unbedingt gebraucht hätte. Einige davon können wohl schon als „hinüber“ bezeichnet werden.
Übertrieben wirken außerdem einige Charakterzeichnungen, insbesondere Ruth. Sie ist eine starke Frauenfigur und auf faszinierende Weise „morally grey“, doch es fehlt ihr an Authentizität, ihre Motive bleiben unklar. Ähnliches gilt für Lior, ihren Enkel, dem man sein eiskaltes Gangstergehabe irgendwie nicht so richtig abnimmt. In manchen Szenen kommt der Verdacht auf, dass der Autor fehlenden Tiefgang mit Splattereffekten zu kaschieren versucht – leider keine so gute Idee.
Andere Ideen wiederum sind einfach nur brillant. Die einzelnen und unterschiedlich langen Abschnitte spielen zu verschiedenen Zeiten (zwischen 1943 bis 2009) an verschiedenen Orten (überwiegend in Palästina / Israel, aber auch USA und Deutschland) mit verschiedenen Personen im Fokus. Sie alle stehen in einer bestimmten Beziehung zu Ruth, doch in welcher, entblättert sich manchmal erst im Laufe der Lektüre. Das benötigt eine gewisse Aufmerksamkeit beim Lesen, erhöht aber auch die Spannung und die Komplexität dieses Romans. Immer wieder streut Tidhar Hinweise auf Vergangenes oder Geheimgehaltenes ein, erwähnt Gegenstände oder Namen, die andernorts wieder auftauchen, verrät den Fortlauf von abgeschlossen geglaubten Nebensträngen, wiederholt manchmal wörtlich gewisse Sätze in einem völlig neuen Zusammenhang. Wie ein Puzzle setzt sich das Gesamtbild zusammen, und das Puzzeln hat mir unheimlich viel Spaß bereitet, weil sich die meisten Fragen irgendwann klären.
Sogar die Rahmenhandlung, die erstmal nicht zum Rest der Story zu passen scheint, fügt sich ein. Sie schlägt einen Bogen, der bewusst in einer uns geläufigeren (Fast-)Gegenwart landet. Mich hat die persönliche Erkenntnis, wie wenig ich von den inneren und äußeren Kämpfen meiner Vorfahren weiß, unerwartet heftig getroffen.
Für mich ein Grund, doch noch den vierten Stern zu zücken, nach einem teilweise absolut packenden, aber teilweise auch absolut abstoßenden Leseerlebnis.
Fazit: „Adama“ ist weniger Thriller, als eher eine blutige, kunstvoll verschachtelt erzählte Familiengeschichte über mehrere Generationen im Umfeld eines Kibbuz. Trotz des strittigen Grundthemas sind die neuen Erkenntnisse über die idealistisch-politischen Hintergründe leider nur oberflächlicher Art. Allerdings vermag das Buch gerade in dieser drastischen, gewalt-betonten Form auch eine Erklärung abzuliefern, warum auf diesem Stück Erde ein friedliches Zusammenleben so unmöglich erscheint wie fast nirgendwo sonst.