Warmherzig und voller Empathie

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sternchenblau Avatar

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Felix spürt die letzten Monate wenig davon, dass sein Name „der Glückliche“ bedeutet. Seiner Mutter ging es immer wieder mal schon nicht wirklich gut. Und schließlich wohnen sie in einem VW-Bus, das Wort „obdachlos“ will er Anfangs für diesen Zustand nicht gelten lassen.

Dieses Kinderbuch an der Schwelle zum Jugendbuch ist warmherzig geschrieben. Voller Empathie gehe ich mit den Charakteren mit. Ich drücke allen die Daumen, dass sie wieder auf einem besseren Weg finden. Dadurch entwickelt Autorin Susin Nielsen auch eine ganz eigene Spannung. Ich wollte unbedingt wissen, was weiter passiert, und konnte das Buch daher kaum aus der Hand legen.

Toll fand ich auch die Vignetten, die zu Beginn jeden Kapitels den Aufenthaltsort der Kleinstfamilie angeben.

Absolut gelungen finde ich die Kombination von einem leichten, oftmals humorvollen Schreibstil und der Schilderung einer harten sozialen Wirklichkeit. Felix’ schützt sich selbst, indem er manches beschönigt und indem er seinen Humor nicht verliert. Und ja, ich finde, dass auch Kinder an solche Themen kindgerecht herangeführt werden sollten. Kinder haben einen großen Gerechtigkeitssinn und hier lernen sie sich, in andere einzufühlen.. Kinder erfahren hier, dass Obdachlosigkeit etwas ist, dessen sich die Betroffenen zwar oftmals schämen, dass es aber nichts ist, dessen man sich schämen müsste. „Es könnte jeden treffen“, schreibt Felix’ Freundin Winnie für die Schülerzeitung – lange bevor sie weiß, dass dieses Thema unsichtbar auch ihren Freund betrifft.

Ich habe mit der Hauptfigur mitgelitten, aber ich war auch so stolz auf ihn, was er leistet.

Die Charaktere sind mir alle ans Herz gewachsen. Dadurch, dass aus Felix’ Sicht erzählt wird, wird auch die ganze Ambivalenz der Bindung zu seiner Mutter deutlich. Wie er sie liebt, wie er immer wütender auf sie wird. An dieser Stelle ist gerade für ein Kinderbuch eine Content Note wichtig, finde ich.

Der Verlag empfiehlt das Buch ab 11 Jahren, was ich sehr stimmig finde. Die ernsten Themen werden jetzt nicht drastisch geschildert. Aber manche Kinder könnte es trotzdem belasten.

Content Note / CN: Wohnungslosigkeit, Depression, angedeutete Option eines Suizids, die Möglichkeit einer Vergewaltigung, Bedrohung häusliche Gewalt gegen die Mutter, Hunger, Diebstahl, Tod eines Haustieres

Gerade die Darstellung der Depression finde ich absolut gelungen, auch, wie Felix dadurch in eine Verantwortung rutscht, die seinem Alter noch nicht entspricht. Die Möglichkeit einer Vergewaltigung, da fürchtet sich Felix einmal um seine Mutter, und einmal werden die beiden im Bus bedroht. Beides löst sich allerdings auf.

Die Auslösung hätte für mich noch etwas knapper sein können. Aber ich denke, für die Zielgruppe ist es sehr gelungen, dass man beim Lesen noch etwas länger in Wohlfühlelementen schwelgen kann. Einen Extrapunkt gebe ich noch für die divers geschilderten Figuren. Und super sind auch die Fragen an die Lesenden im Anschluss – zur Diskussion in der Schule oder als Anregung zum Selber-Nachdenken.

Fazit
Ein warmherziges Kinderbuch, hier wird das ernste Thema Obdachlosigkeit empathisch und altersgerecht umgesetzt (Altersempfehlung ab 11). Dieses Buch empfehlen ich – mit Hinweis auf die Content Note – von Herzen weiter und vergebe 4,5 von 5 Sternen.