Zu Tränen gerührt

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hoelzchen Avatar

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„Aenne und ihre Brüder“ ist ein sehr persönliches Buch von Reinhold Beckmann.
Es geht um seine Mutter Aenne, die 1921 als viertes Kind ihrer Eltern auf die Welt kommt. Früh verlieren die Kinder beide Elternteile und so wachsen Aenne und ihre drei älteren Brüder bei Stiefeltern auf. Nach Aenne werden noch ein Mädchen und ein Junge geboren. Der zweite Weltkrieg beginnt und Aennes Brüder sind alt genug, um eingezogen zu werden, für sie geht es an die Front. Und sie erleben den ganzen Schrecken des Krieges. Ein reger Briefwechsel zwischen Aenne und ihren Brüdern, wird in all den Jahren den Kontakt aufrechterhalten. Die Bindung zu ihren Brüdern ist eng, vermutlich auch durch den frühen Tod der leiblichen Eltern. Aenne dient ihren Brüdern auch als Vermittlerin zwischen Stiefeltern und angehenden Liebschaften der Brüder. Man vertraut auf Aenne, sie wird es schon richten. Doch dann gibt es eine traurige Nachricht nach der anderen, ihre Brüder sterben, selbst ihr jüngerer Stiefbruder wird kurz vor Kriegsende noch eingezogen und stirbt. Man sollte meinen, dass ein Mensch darin verzweifeln würde, vier Brüder ziehen in den Krieg und keiner kehrt zurück. Ein Leben lang vertraut Aenne auf Gott, dies hat sie wohl auch so stark gemacht, dass sie es schafft, ihr Leben zu leben. Sie heiratet und bringt drei Söhne auf die Welt, zwei von ihnen erhalten die Vornamen ihrer Brüder. Aenne wird stolze 98 Jahre alt. Am Ende ihres langen Lebens, bittet sie ihren Sohn Reinhold, etwas aus ihrer Geschichte zu machen und überreicht ihm einen Schuhkarton mit Feldpostbriefen ihrer gefallenen Brüder.
Dieser Roman von wurde von mir als Hörbuch gehört. Genau die richtige Entscheidung. Reinhold Beckmann liest sein Buch selbst, die Feldpostbriefe werden von Julia Nachtmann vorgelesen. Beide Stimmen passen gut zueinander. Durch die gesprochenen Worte, habe ich nochmal einen ganz anderen Zugang zu dieser Geschichte bekommen, sehr intensiv und berührend. Dieses Buch eignet sich perfekt als Hörbuch und ich kann es nur weiterempfehlen. Nach dem Hören, musste ich das Buch erstmal sacken lassen, bevor ich diese Rezension schreiben kann. Ich bin immer noch tief berührt und meine Gedanken sind bei Aenne. Tatsächlich bin ich nicht nah am Wasser gebaut, aber dieses Buch hat es geschafft und es sind Tränen geflossen. Diese Mischung zwischen der persönlichen Familiengeschichte und der sehr gut recherchierten Ereignisse ist etwas ganz Besonderes. Man merkt jeder einzelnen Zeile an, wie wichtig Reinhold Beckmann dieses Zeitzeugnis ist. Aenne gehört der Generation meiner Großmutter an, daran muss ich immer denken. Was hat diese Generation nur alles durchmachen müssen. Aenne war eine starke Frau, sie hat sich nie unterkriegen lassen. Trotz aller Schicksale hat sie ihr Leben gelebt, aber wie man nun weiß, war es ihr auch wichtig, dass das Erlebte nicht in Vergessenheit gerät. Wie gut, dass sie ihrem Sohn diesen Auftrag erteilt hat. Erst durch dieses Buch ist mir klar geworden, was die Soldaten tatsächlich durchlebt haben. Franz war über sechs Jahre diesem Kriegswahnsinn ausgesetzt. Es ist einfach unvorstellbar. Es muss die Hölle gewesen sein. Und dann dieses unendliche Leid. Immer wieder frage ich mich, wie Aenne es geschafft hat, trotz dieser Verluste nicht den Lebensmut zu verlieren. Man kann Reinhold Beckmann gar nicht genug danken, dass er uns an das Leben seiner Mutter teilhaben lässt. Das Buch hilft zu verstehen und hoffentlich auch, uns darin zu bestärken, dass es nie wieder soweit kommen darf. Die jüngsten politischen Geschehnisse lassen mich allerdings verzweifeln. Ich würde mir wünschen, dass dieses Buch im Lehrplan der Schulen gelistet wird.
Zum Ende des Hörbuches singt Reinhold Beckmann das Lied, welches er für Aenne und ihre Brüder geschrieben hat. Dem ist nichts mehr hinzuzufügen.