Schöner Schmöker für lange Herbstabende

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Ich finde die Habsburgermonarchie („Du, glückliches Österreich, heirate!“) als Gegenstand der historischen Forschung sehr spannend. Denn sie umfasst mehr als den Sisi – Mythos. Daher war für mich klar, dass ich diesen historischen Krimi unbedingt lesen möchte. „Alchimie einer Mordnacht“ ist ein richtig schöner Schmöker für lange Herbstabende, ein Krimi vor historischem Hintergrund, eine Coming – of – Age – Erzählung mit bewährten und beliebten Stilmitteln ( ein alter Mann blickt auf sein Leben zurück, direktes Ansprechen des Lesers), die der Autor jedoch so geschickt einsetzt, dass es nicht langweilt.

Worum geht’s ?

Wir schreiben das Jahr 1599. Christian Stern, Sohn des Fürstbischofs, kommt als uneheliches Kind zu Pflegeeltern, die ihn schlagen und züchtigen, da sie ihn für "sündhaft" halten. Christian, der den Nachnamen seiner Pflegeeltern, die ein Entgelt für seine Erziehung erhalten, trägt, ist jedoch ein kluger Kerl, der sich an der Universität Würzburg schnell einen Namen macht. Er hofft, an den Hof des Monarchen zu gelangen, der Koryphäen wie Kepler und Brahe beherbergt. Doch just nach seiner Ankunft in Prag stößt Stern, der mit einem "alten Soldaten" aus einer Kneipe nach draußen geht, auf eine weibliche Leiche, die gut gewandet ist und eine auffällige Goldkette trägt. Die Wächter, denen Stern Bescheid gibt, halten die Tote indes für eine "Metze". Doch es handelt sich bei der Toten um die sechzehnjährige Aristokratin Magdalena. Stern wird schnell zum Verdächtigen. Als sogar der Kaiser auf ihn aufmerksam wird und Christian zum Spielball der Intrigen bei Hofe wird, beginnt der Alchimist um sein Leben zu fürchten…
Stilistisch ist der historische Roman gut ausgearbeitet worden. Der Ich - Erzähler führt den Leser so gekonnt durch die Goldene Stadt, dass er alles plastisch vor Augen hat, sogar den "Gestank", der die "Osmanen vertrieben hätte". Eigentlich bin ich von historischen Romanen schnell gelangweilt, da sie oft bestimmten Schemata zu folgen scheinen und kitschig geschrieben sind. Doch „Alchimie einer Mordnacht“ ist kein ahistorischer Schund. Man merkt während der Lektüre, mit welcher Begeisterung der Autor seinen Stoff verarbeitet hat, denn es gibt detailverliebte Beschreibungen von Land und Leuten, sodass der Kriminalfall fast zur Nebensache wird, was mich aber nicht gestört hat. Es gibt Längen in der Erzählung, trotzdem muss ich sagen, dass der Roman aufgrund der beeindruckenden Rechercheleistung und der differenzierten Figurenzeichnung des Autors in meinen Augen ganz klar fünf Sterne verdient hat. Der ehrgeizige Christian platzt als junger Mann schier vor Selbstbewusstsein und vermag es bei aller Klugheit doch nicht, die Protagonisten bei Hofe richtig einzuschätzen. Rudolf II, ein launischer Exzentriker, ist eine tolle Figur! Mir hat die Lektüre trotz kleiner Schwächen viel Freude bereitet, denn der Aufbau des Romans ist nicht vorhersehbar. Man muss sich nur auf die Geschichte einlassen.