Wunderbar atmosphärisch

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dielesendekaethe Avatar

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Vom ersten Satz an war ich mittendrin im Geschehen. Dem Autor gelingen sehr stimmungsvolle Schilderungen. Die unbehagliche Atmosphäre am Hof von Kaiser Rudolf II, der ein schwacher, merkwürdiger Regent ist, und bei dem man genauso schnell in Gnade wie in Ungnade fallen kann, hat sich beim Lesen sofort auch auf mich übertragen. Ich konnte regelrecht spüren, wie dünn das Eis ist, auf dem sich alle bewegen. Ich konnte nachempfinden, wieso sich jeder selbst der Nächste ist. Authentisch wirken auch die Charaktere, die allesamt sehr plastisch dargestellt werden. Die Paarung aus Naivität und Hochmütigkeit, die den Protagonisten Christian Stern selbst am Ende des Romans noch kennzeichnet, wenn auch in abgemilderter Form, verhindert, dass er sich zu einer durchweg sympathischen Leitfigur mausert. Man fühlt und fiebert als Leser mit ihm mit, ohne ihn jedoch zu irgendeinem Zeitpunkt zu einer Art Held zu stilisieren. Obgleich clever und einsichtig, er lernt schnell vorsichtiger zu sein, gelingt es ihm doch nie ganz, die Ränkeschmiede am Hof zu durchdringen und schwebt dadurch in permanenter Gefahr. Dessen ist er sich jedoch nicht zu jedem Zeitpunkt bewusst oder möchte es möglicherweise einfach nicht sein. Daraus resultiert ein glaubhafter, da unperfekter Charakter.

Wer Prag kennt, wird sich beim Lesen in der Altstadt, auf dem Hradschin und dem Goldenen Gässchen wiederfinden. Beklemmung und Düsterheit halten einen bis zur letzten Seite umfangen. Wer sich gerne ein klein wenig gruselt, an historischen Darstellungen erfreut und einem bisschen Mord und Totschlag nicht abgeneigt ist, wird an diesem Buch Gefallen finden. Und obwohl ein Mord im Zentrum steht, geht es zu keinem Zeitpunkt blutrünstig oder gewalttätig zu. Ich persönlich finde es auch viel spannender, wenn beim Lesen nicht das Blut aus den Seiten tropft.