Zwei Ruhelose

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dicketilla Avatar

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Lange hatte Alice ihren Vater nicht mehr gesehen. Sie befand sich in der Mongolei, und durch den schlechten Netzempfang, erfuhr sie erst spät von dessen schweren Erkrankung, machte sich aber sofort auf den Weg. Ihr wertvollster Schatz war ein Foto ihrer Familie, worauf die Mutter noch zu sehen ist, die Mutter, die es schon lange nicht mehr gibt. Leider ging dieser Schatz durch den Verlust ihres Rucksackes am Flughafen verloren. Ihre beiden älteren Geschwister Cee und Tilly scheinen ein Geheimnis mit dem Vater zu teilen.
“ Du weißt…dass ich…dich liebe…“, sagte er.”So sehr…wie die anderen:” (S:23 )
Alice weiß wenig über ihre Mutter, war sie doch gerade erst 4 Jahre alt, als diese bei einem Unfall ums Leben kam. Sie ist ein Draussenmensch, schon als Kind lief sie viel weg, und auch jetzt treibt es sie immer wieder in die Ferne. Der Vater hätte sich eine sesshaftere Tochter gewünscht, er der sie lange nach dem Tod der Mutter mied, sie war ihr Ebenbild geworden.
Und dann steht plötzlich ein Obdachloser vor ihrer Tür.

Daniel ist ein alter Mann, einer ohne Zuhause, Landstreicher und Faulpelz, wie er sich selbst nennt.
Irgendwann ist es so gekommen, nachdem er nichts mehr auf die Reihe bekommen hatte. Er der Künstler, sein Talent nicht förderte. Zieht herum und überall stellt er sich sie vor, ohne Anhaltspunkte, aber er kennt ihren Namen, Alice. Wandert immer weiter, in der Hoffnung sie zu finden, bevor er stirbt.
“Du kannst niemanden vermissen, den du nie gesehen hast, aber ich vermisse dich.” (S.95)
Einst liebte er eine verheiratete Frau, die in ihm ihre Freiheit sah.
Seine Welt besteht aus Farben, jeder Buchstabe für eine andere.
A- Gletscherwasser, L- ist golden, I- dunkelrosa, c- dunkelblau und E- dunkelgrau.

Die Handlung wird aus zwei Blickwinkeln erzählt. Alice, wie sie heim zu ihrer Familie kommt, verknüpft mit den Erinnerungen an ihre Mutter und ihrem Vater, dem sie in ihren Erinnerungen wieder näher kommt. Daniel mit seiner innerlichen Zerrissenheit, dem Hass gegenüber seinem Vater, und den Erinnerungen an die Zeit mit Alices Mutter, dem Wunsch Alice vor seinem Tod noch zu begegnen, um ihr unbedingt etwas zu sagen.
Eine Besonderheit vor den einzelnen Kapiteln sind immer 10 genannte Punkte, die sich mit Erinnerungen , Eigenschaften oder Vorlieben beschäftigen. Eine wunderbare Art den Personen näher zu kommen, ihr Leben zu verstehen.

Mich hat diese Geschichte sofort in ihren Bann gezogen. Besonders Daniels Wahrnehmungen seiner Umgebung, mit dem Blick eines Malers, kleinen unbedeutenden Dingen Leben einhaucht.
Seine Zielstrebigkeit, und dann wieder sein Zögern, aber am Ende die richtige Entscheidung trifft.
Alice mit ihrem Kummer über den Verlust ihrer großen Liebe, mit sich hadernd, verzweifelt um Antworten ringt. Und das langsame Erkennen von Gemeinsamkeiten zweier Menschen, die sich noch nie begegnet sind.
Schon das Cover, was für mich sehr gut gewählt wurde, deutet auf eine wunderschöne Geschichte hin,
die es am Ende auch für mich war.

“ Wenn man lange genug still an einem Ort stehen bleibt, zeigt er sich einem. Es dauert eine Weile , aber dann findet man die Muster, und wenn man die erst mal hat, kann man anfangen, sich zu Hause zu fühlen.”(S.312)