Eine Utopie oder doch eher eine Dystopie?

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-abby- Avatar

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Ein Virus, welches die Infizierten glücklich macht? Diese unglaubliche Prämisse liefert Neal Shustermans neustes Jugendbuch All Better Now.

Crown Royale, eine Weiterentwicklung von Corona, verbreitet sich auf der ganzen Welt. Gerüchten zufolge sollen die infizierten Menschen grundlos glücklich sein und oft ihr bisheriges Leben auf den Kopf stellen. So sollen steinreiche Menschen ihr Vermögen verschenken, um in der Wildnis ein entbehrungsreiches Leben zu führen.

Mariel findet dieses Virus faszinierend. Ihr Leben ist kein leichtes. Sie und ihre Mutter sind obdachlos und somit liegt ihr Glück fern. Da ist es nur verständlich, dass sie sich vorstellt, sich mit diesem Virus anzustecken. Dadurch würde ihr Leben doch deutlich leichter und angenehmer... So ähnlich denkt auch Rón. Auch er hadert mit seinem Leben. Im Gegensatz zu Mariel ist er jedoch auf der vermeintlichen Sonnenseite des Lebens. Denn sein Vater gehört zu den reichsten Menschen dieses Planeten. Aber Rón hat oft depressive Phasen und wünscht sich beinahe, sich Crown Royale einzufangen. Schon bald kreuzen sich die Wege von Mariel und Rón.

Neal Shusterman schafft es, eine Welt zu zeigen, die immer mehr in zwei Lager gespalten wird. Zunächst kommt vielen der Gedanke, dass so ein Virus doch gut sein könnte. Es gibt so viel Ungerechtigkeiten auf der Welt, die durch Crown Royale beseitigt werden könnten. Doch immer mehr rückt das Bild des scheinbar perfekten Lebens durch eine Infizierung mit dem Virus ins Wanken. Die Gesellschaft spaltet sich immer mehr und auch wir Lesenden kommen ins grübeln. Ist eine Ansteckung nun erstrebenswert oder nicht? Dem Autor gelingt es, dass man sich diese Frage und viele weitere stellt. Moralische und ethische Themen, wie zum Beispiel ob man Fake News einsetzen sollte, um seine Ziele zu erreichen (meine Antwort: auf keinen Fall), kommen auf und man kann wunderbar darüber diskutieren.

Die Charaktere sind recht unterschiedlich. Mariel und Rón sowie die ehrgeizige und oft skrupellose Morgan wirken durch ihre Taten und Handlungen oftmals viel älter als sie laut Buch sein sollen. Shusterman schreckt nicht davor zurück, auch unsympathische Figuren zu schreiben, was mir grundsätzlich gut gefällt. Bei ein oder zweien hätte ich mir dennoch ein paar mehr Nuancen gewünscht, sodass sie nicht so einfach in das Gut/Böse-Schema passen. Da dies Shusterman beim Virus Crown Royale und dessen Folgen gelingt, zeigt, dass er durchaus in der Lage ist, Situationen und Handlungen differenzierter zu schreiben, was ich mir auch bei den Charakteren mehr gewünscht hätte.

Positiv erwähnen möchte ich zudem die queere Vielfalt der Charaktere in All Better Now. Diese Figuren sind zum Glück ein ganz normaler Teil der Geschichte, ohne dass ihre Queerness als etwas besonderes hervorgehoben wird. Sie sind somit ganz "normale"" Menschen wie alle anderen auch.

Das Buch ist an sich spannend, besonders zum Schluss hin. Doch fand ich einzelne Sachen nicht ganz wirklichkeitsnah und wünsche mir persönlich auch in einem Jugendbuch etwas mehr Realismus. Nichtsdestotrotz hat mir der Auftakt zu dieser neuen Dilogie insgesamt recht gut gefallen und kann sie jedem empfehlen, dem es nichts ausmacht, nach Corona ein Buch über ein weiteres (aber ganz anderes) Virus zu lesen.