Anstrengend, aber wie immer ein emotionales Erlebnis

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marcello Avatar

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Ich kann es nur immer wieder betonen, Colleen Hoover hat es inzwischen doppelt und dreifach verdient, von LeserInnen weltweit verehrt zu werden, denn diese Frau schreibt inzwischen in so vielen Genres und doch immer mit ihrer eigenen Stimme, dass man sie nur bewundern kann. Nach „Verity“, das sich im Thrillergenre ausprobiert hat, wird es mit „All das Ungesagte zwischen uns“ wieder eindeutig dramatischer, aber durch die Mutter- und Tochter-Perspektive ist es für Erwachsene und Jugendliche gleichermaßen, für Mütter und Töchter eben. Aber auch für so viele mehr, denn in dargestellten Konflikten werden sich genug Menschen wiedererkennen.

Wirkungstechnisch hat mich „All das Ungesagte zwischen uns“ schon stark an „Was perfekt war“ erinnert. Darin ging es vor einigen Jahren um ein Paar, dessen grandiose Liebe auf einmal in Scherben liegt, während das neuste auf Deutsch erschiene Werk nun eine ganze Familie am Boden liegen hat. In einer selbstzerstörerischen Manier kommt es zu zahlreichen Konflikten, die aber nie aus dem Weg geräumt werden und sich dadurch in ihrer Intensität nur immer weiter anstauen. Dadurch sind beide Lektüren durchaus schwer zu ertragen, denn das Leid, was sich anstaut, ist nur schwer zu ertragen, denn als Leser kenn man beide Seiten und würde am liebsten schreien: „Jetzt redet doch endlich miteinander!“ Aber das kann man eben nicht, weswegen die Sache ihren Lauf nimmt und man doch irgendwie erleichtert ist, wenn die Lektüre dann doch beendet ist. Denn solche emotional anstrengenden Erzählungen kann man nicht ewig mitmachen. Trotzdem ist es bewundernswert, dass Hoover regelmäßig bereit ist, so tief zu gehen.

Vor der Lektüre von „All das Ungesagte zwischen uns“ war ich zunächst vor allem begeistert, dass durchgesickert war, dass es vorrangig um eine Mutter-Tochter-Geschichte gehen würde. Warum? Hoover schafft großartige Liebesgeschichten, aber Eltern haben dabei ganz oft keine Rolle gespielt, ganz im Gegenteil war das Verhältnis oft zerrüttet. Da ich als Fan der Autorin aber weiß, dass sie zu ihrer eigenen Mutter ein sehr enges Verhältnis hat, hat es mich immer ein wenig gewundert, dass Eltern in ihren Geschichten oft keine bis eine geringe Rolle gespielt haben. Damit räumt „All das Ungesagte zwischen uns“ definitiv auf, denn hier steht genau das im Fokus und ich finde, dass es eine sehr authentische Darstellung geworden ist, denn gerade in der Pubertät ist eine Phase erreicht, in der es ganz gewaltig schiefgehen kann und obwohl sich Mutter und Tochter ohne Frage lieben, ist da auch viel Hass und das kann ich aus meiner eigenen Warte, auch mit den Erfahrungen von Mitschülern, nur bestätigen.

Die Voraussetzung für diese Geschichte ist natürlich ganz viel Drama, aber das ist für Hoover nun wahrlich nicht ungewöhnlich. Aber ich fand, dass die Handlung einen wirklich geschickten Weg gefunden hat, dass man in all dem Leid, all den Ungerechtigkeiten eben doch genug Lichtschimmer hatte, die dann auch wieder so Hoover-typisch waren, so dass mir alleine in Erinnerung daran, das Herz schmilzt. Hoover kann wie kaum eine sonst großartige Liebesgeschichten ohne viel Schnickschnack, aber eben doch mit der besonderen Note erzählen und diesmal haben wir gleich zwei dieser Sorte, was definitiv ein Gewinn ist. Sowohl Morgan und Jonah als auch Clara und Miller hatten jede für sich einzigartige Geschichten, mit kleineren Parallelen, aber einfach großartig. Gerade in dem überraschend friedlichen Ende ist das auf die Spitze getrieben worden, denn gerade der private Kurzfilm hat mich endgültig innerlich zerstört, weil es so wunderschön war.

Fazit: Auch wenn „All das Ungesagte zwischen uns“ definitiv eine emotional sehr anstrengende Lektüre ist, so ist es aber auch unheimlich echt und wie immer für ein Hoover-Buch großartig geschrieben worden. Bei ihren Büchern kann man nicht rund um die Uhr happy sein, man muss schon durch all die Tiefen mitgehen, damit man sich das Happy End dann doch noch verdient.