Am Abgrund

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krimielse Avatar

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Als Getriebene, die versucht, ihrer bürgerlichen Existenz zu entkommen, ist Adéle auf der Suche nach dem Kick, dem ultimativen Erlebnis. Gelangweilt im Job, genervt vom goldenen Käfig des bürgerlichen Lebens, mit nach Arbeit stinkendem Geld ist der Sex für sie der einzige Moment, in dem sie ihren Fesseln zu entkommen glaubt. Man hat das Gefühl, dass es ihr egal ist, ihren Background zu verlieren, sie sucht Befriedigung immer wilderer und unbändigerer Art, sie sucht Gewalt, um abzutauchen und abzuschalten. Sie könnte alles verlieren, aber der Kick ist in ihrem Kopf viel zu weit vorn, und sie scheint die Kontrolle zu verlieren.
Man bewegt sich mit Adéle, der von Leïla Slimani unglaublich deutlich und fesselnd beschriebenen Ehefrau und Mutter. Man erfährt bei der Leseprobe, den Anfangsseiten des Romans, nichts von ihrer Familie, von ihrem Leben, verfolgt nur die Suche nach einem Sexpartner und ich spüre fast etwas Aggressivität, die sich beim Lesen immer mehr entwickelt, gegenüber dieser gelangweilten und zugleich ausgelaugten Frau, die zu zersplittern droht und sich fast selbst verloren hat. Ich möchte unbedingt wissen, wie weit Adéle geht, ob sie den Absprung zurück in ihr Leben schafft oder nicht.
Ich liebe den eindringlichen figurnahen und spannenden Stil von Leïla Slimani, bei dem das Setting egal zu sein scheint, so dicht ist man an den Charakteren dran, und deren letzter Roman „Dann schlaf auch du“ mich aus eben diesem Grund bereits vollends von der Großartigkeit dieser französischen Schriftstellerin überzeugt hat.