Ein außergewöhnlicher, klassischer Roman

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Sneha beginnt schon zum zweiten Mal neu. Als Teenagerin ist sie für ein besseres Leben mit ihren Eltern aus Indien in die USA gezogen. Inzwischen ist sie Anfang zwanzig, ihre Eltern zurück in der alten Heimat und sie tritt ihren ersten Job in einer fremden Stadt an. Sie ist mutig und unerschrocken, stürzt sich hinein, ins Dating, in die Arbeit, in Freundschaften und wird immer wieder auf die Probe gestellt. Sie lernt Marina kennen und verliebt sich, ohne die Gefühle wirklich zulassen zu können. Aber viel wichtiger und beständiger als die romantische, ist die Liebe zu ihrer Freund*innen.
„All dies könnte anders sein“ von Sarah Thankam Mathews ist ein klassischer Roman mit vielen bemerkenswerten Aspekten. Snehas Entwicklung ist typisch und auf eine Art auch vorhersehbar, aber die Welt in der sie lebt, wird oft vernachlässigt; eine Welt lesbischer Frauen, mit Menschen, die das Pronomen they wählen; eine Welt, wo PoCs immer noch anders behandelt werden; wo junge Menschen, trotz guter Ausbildung, keinen Job finden und wenn doch, müssen sie sich ohne Krankenversicherung von einem Gehaltsscheck zum nächsten hangeln. Hier begegnet Sneha Menschen, die zu Freund*innen werden und zu denen sie Verbindungen aufbaut, wie sie sich wohl jede*r wünscht. Die eigentlichen Nebenfiguren haben genauso viel Fleisch am Leib und so viel Tiefe wie die Protagonistin selbst und sind eigenen Individuen. Sie werden zu Snehas Familie, die nicht perfekt ist, aber füreinander einsteht. Die Liebesgeschichte, die der Kern des Romans ist, rückt dabei in den Hintergrund.
Sprachlich ist es ebenfalls beeindruckend, was wohl auch an der gelungenen Übersetzung liegt. Sarah Thankam Mathews beschreibt eindrücklich, roh und ungekünstelt. Spricht aus, was ist und kleidet es in Bilder mit scharfen Kanten, die so noch einprägsamer werden.
Kein Wunder, dass dieser Roman ausgezeichnet und hochgelobt wurde.