Italienisches Ambiente

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linus63 Avatar

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An ihrem 40. Geburtstag entdeckt Elena, dass ihr Mann sie betrügt. Sie flüchtet nach Lecce in Süditalien zu ihrem Onkel Gigi, der ihr in seinem halbrenovierten Palazzo eine Unterkunft anbietet. Zeitgleich fährt auch der junge Künstler Michele nach Lecce, um Verwandte aufzuspüren, von deren Existenz er im Nachlass seiner Mutter erfahren hat. Vor Ort geschehen seltsame Dinge und beide beginnen, Nachforschungen anzustellen.

Kirsten Wulfs angenehmer Schreibstil ist gut zu lesen. Immer wieder in den Text eingeflochtene italienische Ausdrücke und detaillierte Beschreibungen stellen die meiner Vorstellung entsprechende Atmosphäre Italiens mit typischer italienischer Umgebung und Mentalität, Einrichtungen und Speisen wunderbar dar. Allerdings bin ich weder mit der Handlung, noch mit den Protagonisten mit Ausnahme von Onkel Gigi, seinem ausgeprägten Familiensinn und seiner leidenschaftlichen Kocherei, richtig warm geworden. Die Geschichte spricht zwar viele interessante Themen an, geht jedoch bei keinem wirklich in die Tiefe. Sie beginnt mit Elenas Eheproblemen und Micheles Suche nach seiner Herkunft, woraufhin beide in Lecce relativ schnell aufeinander treffen und diese Themen halbgelöst in den Hintergrund treten. Die von mir erwartete Beziehung ist nicht in Sicht. Statt dessen folgen ein wenig Schutzgelderpressung und Menschenhandel, kombiniert mit Italiens Flüchtlingsproblem und Zwangsprostitution, alles hineingepackt in gerade mal 300 Seiten. Die sympathischen Protagonisten, die zu Beginn authentisch und in ihren Handlungen nachvollziehbar wirken, wissen oder ahnen zumindest, dass die Mafia und ein Kirchenmitglied in diese Machenschaften involviert sind, und ermitteln trotzdem auf eigene Faust munter weiter, was sie im späteren Handlungsverlauf naiv und unglaubwürdig erscheinen lässt. Dennoch gelingt es Kirsten Wulf, die Geschichte zu einem plausiblen, aber abrupten Ende zu führen.

Ich bin mir immer noch unschlüssig, welches Genre die Autorin mit "Aller Anfang ist Apulien" bedienen wollte. Zu einem Krimi fehlt mir die Spannung, zu einem Roman über ein politisches Problem in Italien der Tiefgang und zu einer Liebesgeschichte treten mir die Beziehung und die Gefühle zu sehr in den Hintergrund. Was bleibt ist leichte Unterhaltung, die interessante Themen streift und mich einige Stunden italienisches Ambiente spüren lässt.