Ein fesselnder “Liebes”-roman, der viele unbequeme Fragen aufwirft

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emma217 Avatar

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“Alles gut” von Cecilia Rabess ist keine klassische Liebesgeschichte. Der Roman handelt zwar von der komplizierten Liebe zwischen Jess und Josh, die gegensätzlicher nicht sein könnten. Doch ist er zudem eine komplexe Erzählung über die US-amerikanische Gesellschaft: Über Klassenunterschiede, White Privilege, Rassismus und noch vieles mehr.

Jess und Josh kennen sich noch aus ihrer Studienzeit, in der sie schon gegensätzliche Standpunkte vertraten. Jess, eine schwarze Frau, ist Demokratin und versucht ihre Prinzipien und Standpunkte damit in Einklang zu bringen, dass sie nach dem Studium eine gut bezahlte Stelle bei Goldman Sachs angenommen hat, um ihren Studienkredit abzubezahlen. Josh hingegen vertrat schon immer konservative Standpunkte und ist sich seiner Privilegien als weißer Mann mit guten Verbindungen nicht einmal ansatzweise bewusst.

Eine explosive Mischung politischer Standpunkte also, die vor allem in der aktuellen Zeit, in der dieser Roman spielt, immer gewichtiger wird. Vor diesem Hintergrund entspinnt sich eine leidenschaftliche Liebesgeschichte zwischen Jess und Josh, die, je mehr sie der Alltag einholt, immer öfter von Diskussionen über die amerikanische Gesellschaft im Allgemeinen und ihren Rollen darin überschattet wird. Diese Diskussionen nehmen im Roman einen großen Raum ein. Dessen sollte man sich bewusst sein, bevor man zur Lektüre greift. Ich fand es aber so interessant, den Unterhaltungen der beiden zu folgen, die immer wieder unbequeme Wahrheiten aussprechen und einen perfekten Spiegel der amerikanischen Gesellschaft bilden.

Ich bin mir nicht sicher, welche Gefühle Josh in uns Lesenden wecken soll. Ich persönlich fand ihn jedenfalls zu keiner Zeit sympathisch. Mag ja sein, dass die zwei sich körperlich sehr zueinander hingezogen fühlen und er zudem sehr nett zu Jess ist. Darüber hinaus fand ich jeden einzelnen seiner republikanischen Standpunkte einfach nur grauenhaft. Doch Jess’ Verhalten, deren politische Standpunkte ich größtenteils teile, war zeitweise ebenfalls zum Haare raufen. Vermutlich hat Cecilia Rabess mit den widerstreitenden Gefühlen, die die Lektüre in mir hervorgerufen hat, genau ihr Ziel erreicht: denn ich denke, dass dieses Buch bewusst unbequem sein soll und uns dazu auffordert, selbst nachzudenken. Und Themen gibt es dazu im Roman mehr als genug. Zudem werden diese Themen so spannend verpackt, dass ich den Roman in kürzester Zeit inhaliert habe. “Alles gut” ist also ein fesselnder “Liebes”-roman, der viele unbequeme Fragen aufwirft, über die sich vortrefflich streiten lässt. (4,5/5)