Gegensätze ziehen sich an?

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nele2505 Avatar

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Die Geschichte von Jess und Josh hat mich äußerst hin- und hergerissen zurückgelassen. Während ich nach der Hälfte des Buchs mehr als genervt von sämtlichen Personen war und am liebsten abgebrochen hätte, tauchten im letzten Drittel doch noch etwas sympathischere Charaktere auf und ich konnte auch den gesamten Grundtenor des Buchs etwas besser verstehen. Tatsächlich wurden Fragen aufgeworfen, über die ich länger nachdenken und mit meinem Mann diskutieren wollte.

Achtung: Diese Rezension enthält Spoiler!

Zu Beginn des Romans halten sich Josh und Jess in Welten auf, die absolut nicht meine sind. Das hat nicht geholfen. Und auch wenn die Autorin versucht, Josh als lieben Kerl darzustellen, so dass es nachvollziehbar ist, dass Jess sich in ihn verliebt, so gab es doch immer wieder Momente, in denen ich dachte: So Jess, HIER ist jetzt die Grenze zu ziehen. Andersherum ist mir auch unklar, wieso Josh so auf Jess steht, wenn nicht nur aus Gründen der Äußerlichkeit. Klar, er versucht es später zu erklären, aber für mich nicht nachvollziehbar.

Verständlich sind für mich Jess' Sorgen, auf ihre "Rasse" und im Job außerdem auf ihr Geschlecht reduziert zu werden. Ich kann total nachvollziehen, wie bestimmte Punkte sie aufwühlen, verletzen und aggressiv machen, die der anderen Seite hingegen gar nicht auffallen oder die diese "nicht so schlimm" finden. Das ist bei weitem nicht der Punkt, der mich an Jess genervt hat (dann schon eher an Josh).

Im letzten Drittel des Buchs, als es auch um Donald Trump geht, wurde es dann zu viel für mich. Ein Typ, der eine Schwarze Freundin hat und Trump wählt und sie bleiben zusammen und reden halt einfach nicht über Politik? Woah woah woah, immer langsam mit den jungen Pferden.

Ich verstehe, dass es interessant ist, über entgegengesetzte Paare zu schreiben. Gegensätze ziehen sich an, wir sind alle viel zu sehr in unseren Filterblasen gefangen, wer redet denn noch mit der anderen Seite etc. Sicher ist das in den USA noch ausgeprägter als hier, denn zumindest von außen hat man das Gefühl, dass dort die Gräben noch viel tiefer sind. Natürlich wünscht man sich, dass die Menschen miteinander reden. Aber wenn man es dann in solch einer Geschichte ausformuliert liest, wird doch klar, warum es in der Realität vermutlich eher selten vorkommt. Josh und Jess haben nichts gemeinsam, außer dass sie sich attraktiv finden und gern zusammen essen gehen? Dabei können sie nicht über Politik, die Arbeit, Wirtschaftsthemen (die sie beide wahnsinnig interessieren) reden, ohne zu streiten. Schwierig...

Vielleicht spricht es für das Buch, dass ich mich darüber aufregen kann und zumindest kann ich ihm ja auch nicht absprechen, dass es gut geschrieben ist. Nur wenn mein eigener Mann mich schon immer fragt "Liest du immer noch das Buch, in dem alle so doof sind?", kann ich es nicht guten Gewissens weiterempfehlen. Außer man hat gerade Lust, sich ein bisschen aufzuregen.