Moderne Liebe in einer polarisierten Welt

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lesestress Avatar

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»Schließlich gibt Jess auf, schließt die Augen und löscht das Licht. Niedergedrückt vom Amboss der Trauer auf ihrer Brust. Sie kehrt dem Internetgeschwätz den Rücken und schaltet selbst ihre Freundinnen online auf stumm. Es ist leichter, einfach so zu tun, als wäre alles gut.«

Mit »Alles gut« ist Cecilia Rabess wahrlich ein Debüt-Kunststück gelungen! Anhand einer intelligenten, temporeichen Lovestory, behandelt die Autorin gekonnt zeitgenössische Konflikte, erzählt klug von sozioökonomischen Ungleichheiten aus intersektioneller Perspektive und stellt die großen Fragen unserer Zeit: Macht uns Betroffenheit automatisch zu Aktivist:innen? Können Privilegien mit ihren eigenen Waffen geschlagen werden? Wie viel ist der Kampf gegen ein diskriminierendes System wert, wenn mensch selbst auch davon profitiert? Und kann eine Liebe zwischen zwei sehr konträren politischen Meinungen im Alltag bestehen – und falls ja, wie?

Die Geschichte beginnt damit, dass Jess nach dem College einen Job bei Goldman Sachs bekommt. Als Finanzanalystin ist sie herausragend, übertrifft ihre Kollegen stets. Trotzdem ist ihr Arbeitsalltag als einzige Schwarze Frau im Finanzwesen ein ständiger Kampf. Jess muss doppelt so hart arbeiten, um nur halb so ernst genommen zu werden, wie ihre weißen männlichen Kollegen. Die Diskriminierung, die sie aufgrund ihrer Herkunft, ihres Geschlechts und ihrer Hautfarbe stets erfährt, versucht sie mit monetären Mitteln auszugleichen. In einem kapitalistischen System ist Geld immerhin die Währung des Erfolgs – oder? Mehr und mehr fühlt Jess einen Konflikt, muss sich fragen, ob die lang ersehnte finanzielle Anerkennung im prestigeträchtigen Job wirklich das Richtige für sie ist. Und in all diese schwierigen Gedanken platzt Josh mit seiner Liebe – sowie seinen politischen Ansichten …

Wer glaubt, dass »Alles gut« ein simpler »Enemies to Lovers«-Trope ist, der täuscht sich gewaltig! Tatsächlich hat Cecilia Rabess mit ihrem Debüt nämlich die vielleicht (wahrscheinlich!) beste Lovestory geschrieben, die ich bisher gelesen habe: brillant, neu und absolut fesselnd! Einmal keine klassischen Missverständnisse in einer Beziehung oder das Unvermögen als Paar miteinander zu kommunizieren – Jess und Josh können sich nämlich so richtig streiten! Denn Rabess Dialoge sind so messerscharf beobachtet wie ausformuliert. Sie lässt die beiden auch hochkritische (sprich rassistische und misogyne) Gespräche führen, weiß aber stets auch das Gesagte einzuordnen. Ihre Figuren leben und lieben authentisch zwischen diesen Buchdeckeln. Das hat mich wirklich umgehauen, denn ich kann mich nicht erinnern, wann mich zuletzt ein so simpel anmutender Plot so begeistern konnte. Ich habe viel gelacht und ein bisschen geweint, und war am Ende wirklich traurig, dass ich mich von Jess (und Josh) verabschieden musste.

»Alles gut« ist ein witziges, spannendes und schonungsloses Porträt der modernen Liebe in einer polarisierten Welt. Ich empfehle es sehr gern allen, die eine intelligent und komplexe (Liebes)Geschichte für den Sommer suchen – hier passt einfach alles!

Aus dem Amerikanischen von Simone Jakob.