Stevie - voll aus der Spur geworfen

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adelheid von buch Avatar

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Stevie ist ein siebzehnjähriges amerikanisches Mädchen, das stark untergewichtig ist. Wir lernen sie kennen auf dem Weg in ein Camp für Essgestörte, in das ihr Vater sie einweisen ließ. Sie selbst betrachtet sich nicht als krank. Stevie hat bereits die Mutter verloren und den Bruder auch. Die Mutter hat die Familie unerwartet und ohne Kommentar verlassen, was die Familie auch in finanzielle Schwierigkeiten bringt. Der Bruder kam bei einem Verkehrsunfall ums Leben, bei dem sie auch mit im Auto war. Sie kämpft, mit diesen Verlusten irgendwie umzugehen. Und dann ist da noch diese „Freundin“ Eden, die sie missbraucht und schlecht behandelt.

Stevie hat sehr starke Schuldgefühle und hat jetzt beschlossen, auch zu verschwinden. Dabei hat sie den Ehrgeiz, so zu hungern, dass sie genau am Todestag ihres Bruders sterben wird. Aber nun ist sie am Ende der Welt in einem Camp mit Leuten zusammen, die sich mit ihr und ihrem Problem auseinandersetzen werden, die wollen, dass sie weiterlebt. Dem wird sie nicht so leicht entkommen, auch wenn sie anfangs alles verweigert.

Das hier ist eine sehr wichtige Geschichte. In Ich-Form erzählt Stephanie, die gern Stevie genannt werden möchte, wie sie sich fühlt und wie sie die Welt wahrnimmt. Die Katastrophen in ihrem Leben haben sie ziemlich aus der Spur geworfen. Sie ist sehr allein damit und versucht, damit irgendwie fertig zu werden. Sie flüchtet sich in die Essstörung. Fressattacken und Übergeben wechseln sich ab. Das gibt ihr das Gefühl, ihr Leben unter Kontrolle zu bekommen nach all den Ereignissen, auf die sie keinen Einfluss hatte. Das gipfelt darin, dass sie ihr auch ihr Lebensende selbst bestimmen will. Es erscheint ihr unmöglich, über den ersten Todestag ihres Bruders hinaus weiter zu leben.

Im Camp begegnet sie Mädchen ihres Alters, die auch von Esstörungen betroffen sind. Sie begegnet auch Ärzten, Ernährungsberatern, Krankenschwestern und „SK“ der „Seelenklempnerin“ Anna. Insbesondere Anna hilft ihr, ihre Situation wahrzunehmen, ihre Krankheit erstmal überhaupt zu erkennen. Stevie wohnt mit drei weiteren Mädchen in einem Bungalow zusammen. Es entstehen Beziehungen zwischen den Mädchen. Sie halten zusammen und stehen einander bei.

Sehr interessant gestaltet fand ich, wie Stevie besonders das Essen wahrnimmt. Welche Angst-, Ekel- und Panikgefühle es bei ihr auslöst. Der Leser kann miterleben, wie schmerzhaft es ist und wie erlösend zugleich, die verdrängten Schmerzen wahrzunehmen und auszudrücken. Stevie lernt, dass es möglich ist, mit schmerzvollen Ereignissen in der Vergangenheit umzugehen. Sie lernt, sich auf andere Menschen einzulassen, zu spüren, wer ihr guttut und wer ihr schadet.

Am Ende des Buches steht sie am Anfang ihres Gesundungsprozesses. Auch wenn alles, was noch kommt, durchaus harte Arbeit sein wird, so ist das der allerwichtigste und allerschwerste Schritt.