Alles, was ich bin

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Leerer Stern Leerer Stern
sweetaddict Avatar

Von

Der Roman „Alles was ich bin“ von Anna Funder erschien 2014 im S. Fischer Verlag Frankfurt am Main. Die Originalausgabe aus dem Jahr 2011 unter dem Titel „All that I am“ wurde verlegt von Penguin Books Australien und von Reinhild Böhnke aus dem Englischen ins Deutsche übersetzt.
Der Roman handelt im Wesentlichen von drei Menschen: dem Autor Ernst Toller, der Aktivistin Dora Fabian und der Zeitzeugin und Cousine von Dora, Ruth Blatt. Daneben gibt es viele weitere Charaktere, die die Handlung beeinflussen und mitbestimmen.
Von der Machtergreifung Adolf Hitlers bis zu ihrer Zeit im Exil und schließlich zum Tod von Dora Fabian und ihrer Freundin Mathilde Wurm begleitet der Leser die jungen Menschen, die sich der Meinung der Nazis nicht anschließen wollen und selbst aus ihrem Exil in London weiter für den Widerstand kämpfen. Trotz der Gefahr die ihnen droht glauben sie an eine bessere friedlichere Welt und erkennen erst durch den Verrat eines engen Vertrauten, dass ihr Glaube in die Menschheit leicht erschüttert werden kann. Das Thema des Buches ist der Widerstand gegen das Nazi-Regime, verwoben mit den Erinnerungen der Zeitzeugin Ruth Blatt wird dieser für den Leser erfahrbar.
Die mittlerweile über 80-jährige Ruth beschreibt aus der Perspektive eines gelebten Lebens ihre Geschichte von der Kindheit an, über die erste Begegnung mit ihrer Cousine Dora und wie sie fast unbemerkt zu der Bewegung des Widerstandes gegen die Nazis dazu gestoßen ist, bis hin in die heutige Zeit in der sie in Australien ihren Lebensabend verbringt. Sie lernte viele bedeutende Persönlichkeiten kennen, wie z.B. den Autor Ernst Toller. Eine große Schar von Freunden und Bekannten erkennt die Gefahr, die durch Hitlers Machtergreifung droht und stellt sich dessen Bemühungen in den Weg. Keinesfalls entsteht beim Leser der Eindruck nicht auch die Helden dieser Geschichte hätten Zeiten der Angst durchlebt. Im Gegenteil wird die Verzweiflung besonders dann spürbar als die Gruppe durch jemanden aus den eigenen Reihen verraten wird und sich Ruths Leben schlagartig ändert. Der Tod einiger liebgewonnener Menschen folgte daraus und hinterließ eine Lücke in ihrem Herzen, die sie bis zu ihrem Tod nicht schließen wird.
Insgesamt ist die Handlung des Buches schlüssig. Durch die vielen Charaktere und ihre teils verschiedenen Namen erlebte ich jedoch immer wieder Momente der Verwirrung. Sprachlich ist dieses Buch ein Meisterwerk, das stellenweise geradezu poetisch daher kommt. So war ich gebannt von Formulierungen wie: „Kummer ist die Verlängerung der Liebe“, „Schuld gegenüber der Welt ist das Rauschen der schwarzen Schwingen meiner Krankheit“ oder „Ich bin ein Gefäß voll Erinnerungen in einer Welt des Vergessens“.
Mein Gesamteindruck des Buches bleibt aber eher durchwachsen. Die Erzählungen aus dem Exil sind teilweise aufrüttelnd und schockierend gewesen. Die Sprache und die genutzten Stilmittel waren meines Erachtens perfekt. Dennoch bleibt ein unspezifisches Gefühl von Vermissen bei mir zurück. Mit ist nicht ganz klar, ob dies durch die zugrundeliegende Traurigkeit der Thematik verursacht wird oder ob mir in der Erzählung tatsächlich etwas fehlt. Dennoch kann ich nur jedem der diese Art von Romanen nicht scheut empfehlen, sich selbst ein Urteil zu bilden.