Alles was ich bin - oder auch: "wie alles anfing" ......

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swansea Avatar

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Der Beginn und die Machtübernahme des unbarmherzigen Nazi-Regimes von Hitler-Deutschland wird hier wie mit dem Seziermesser (aus Sicht der zuerst im Lande, dann unter Lebensgefahr in D ins Ausland emigrierte Widerständler, Journalisten, Juden, Gewerkschafter, jüdische Schriftsteller, Sozialisten etc.) dargestellt und sucht - da teils autobiographisch und hervorragend recherchiert - ihresgleichen in der Beschreibung und der Menschlichkeit....
Titel und cover des Buches passen sehr gut zum Inhalt (lt. Anhang ein Foto von 1927 aus dem Museum Folkwang, Essen) und weisen auf die Ernsthaftigkeit des Inhalts hin...
Der Roman erzählt in immer wiederkehrenden und sich fortsetzenden Handlungssträngen (abwechselnd: Toller und Ruth) die deutsche Geschichte in dunkler Zeit (Weimarer Republik, einige Jahre vor dem II. Weltkrieg), als 1933 die Nazis bzw. Hitler die Macht an sich riss (30.01.1933). Mich hat dieses Geschehnis in Berlin, dargestellt in der Leseprobe dieses hervorragenden Romans, sehr angesprochen, da mein Vater (der sich zu dieser Zeit gerade in einer Gärtner-Ausbildung in Berlin befand) der Rede Hitlers persönlich beiwohnte - und alles andere als begeistert von dieser Person sowie dessen Partei gewesen ist....
Größtenteils in der Retrospektive erzählt jeder (Ernst Toller, Ruth) schonungslos, offen, emotional und auch selbstkritisch jene Zeit, in der jede Auflehnung durch neue "sog." Gesetze im Keime erstickt wurden, die Gegner des Nazi-Regimes auch mehr und mehr gewaltsam "ausgeschaltet" bzw. ermordet wurden. In der Auseinanderflechtung der Beziehungen der Emigranten untereinander, die mit zunehmender Bedrängnis für den Verlust von Vertrtauen gekennnzeichnet war, entwickelt sich der politische Machtapparat der NSDAP stetig weiter...
Meine Meinung:
Der Blick von "Berthe" (cover) stimmt nachdenklich und weist auf den sehr politischen und ernsten Inhalt der Jahre 33-39 hin. Die meisten >Personen des Romans sind real, die Hauptprotagonisten (Toller, Dora Fabian, Hans Wesemann, Ruth u.a.) mussten nach Warnungen das Land verlassen und versuchten im Exil, das NS-Regime zu stürzen, indem sie durch journalistische Arbeit die NS-Verbrechen aufzudecken versuchten(z.B. der Reichstagsrand in Berlin, der den Kommunisten fälschlicherweise zugeschrieben wurde) . Der teils autobiographische Roman (Ruth Blatt) hat seine größte Stärke darin, die miteinander verwobenen realen Lebensgeschichten der Exilanten sehr genau aus deren Warte zu beschreiben; es ist ein bewegendes Stück Zeitgeschichte: Der politische Druck und die Gefahr, in der sich Toller, Dora und die anderen befinden, wird durch den Erlass immer neuer (menschenverachtender) Gesetze sehr authentisch dargestellt.
Hatte ich anfangs etwas Mühe, in den Roman hineinzufinden, so fand ich besonders Teil II und III sehr spannend: Anhand der Geschichte dieser Menschen lässt sich heute erkennen, wie sehr die Deutschen selbst und auch die Welt ihre Augen vor der drohenden Gefahr verschloss, die sich an die schwierige Zeit der "Weimarer Republik" anschließen sollte: Das Dritte Reich und der 2. Weltkrieg!
Fazit:
Ein unglaublich gutes Buch; stilistisch sehr niveauvoll und detailliert, politisch aufklärend sowie sehr gut recherchiert (siehe Quellen)
Sehr spannend trotz des traurigen wahren Inhalts; ein Kleinod politischer Literatur, die gut zu lesen ist: Sehr lesens- und empfehlenswert!