Ein Stück Geschichte

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sorko Avatar

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Abwechselnd erzählen Ruth Wesemann und Ernst Toller jeweils aus ihrer Sicht. Für Ruth ist es ferne Vergangenheit, denn inzwischen lebt sie, alt und gebrechlich, im Jahre 2001 in Australien. Sie erhält eines Tages die Aufzeichnungen von Toller und beginnt, sich zu erinnern.
Die Sichtweise von Ernst Toller entstammt den Aufzeichnungen, die er hinterlassen hat. Er befindet sich im Jahr 1939 in New York und blickt auf die vergangenen Jahre zurück. Er erzählt die Geschichten seiner Sekretärin Clara, die sie für ihn aufschreibt. Was Ruth und Ernst verbindet, ist die Liebe zu Dora Fabian. Das ist die ältere Cousine von Ruth, zu der sie aufblickt, die sie streckenweise bewundert. Dora wird Mitarbeiterin und Mitstreiterin von Toller und schließlich auch seine Geliebte. Der Lebensweg dieser drei Personen wird aus verschiedenen Sichtweisen beleuchtet, was interessant ist. Sie stehen politisch links, und sie bekämpfen Hitler und sein Regime von Anfang an. Sie erkennen früh die Gefahren, die für alle bestehen, die gegen den Nationalsozialismus sind. Sie retten sich ins Exil und kämpfen von dort aus weiter.
Aber es geht in diesem Buch nicht nur um die drei benannten Personen, sondern auch um ihr Umfeld. Da gibt es entschlossene Widerstandskämpfer, stille Unterstützer, ausländische Helfer und auch Verräter in den eigenen Reihen. Und der Krieg hat ja noch nicht einmal begonnen. Ergreifende Schicksale und bedeutende Ereignisse, die zwischen 1933 und 1939 geschahen, werden anschaulich beschrieben. Heute können wir uns kaum noch vorstellen, wie gefährlich die Lage damals für kritische, selbstbewusste und freiheitsliebende Menschen war. Einen Blick auf jene Menschen und Situationen zu werfen, auf die Stimmung, die Zweifel, den Mut der damals handelnden Personen – darin sehe ich das Verdienst dieses Buches.

Der offiziell als Selbstmord hingestellte Tod von Dora Fabian und Mathilde Wurm ist zweifelhaft. Die Mordvariante klingt in meinen Augen plausibler, doch endgültig wird darüber wohl kein Beweis mehr zu führen sein. Eindeutig scheint der Selbstmord von Ernst Toller im Jahr 1939 zu sein. Drei mutige Menschen, die für ihre Liebe zur Freiheit starben. Es ist richtig und wichtig, ihrer zu gedenken.