Eine eindrucksvolle und berührende Mahnung

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern
annajo Avatar

Von

Ruth Becker, Dora Fabian und Ernst Toller sind Juden und Intellektuelle und erleben Hitlers Aufstieg beinahe hautnah mit. Nach dem Ersten Weltkrieg war Toller sogar Anführer einer kurzlebigen sozialistischen Regierung, die jedoch gewaltsam entmachtet wird. Danach ist Toller vor allem (politischer) Schriftsteller. Nach dem Reichstagsbrand wird es für die drei zu gefährlich in Deutschland und so flüchten sie ins Exil nach London. Von dort aus versuchen sie, die Deutschen und die Welt vor Hitler zu warnen. Doch damit bringen sie sich noch weiter in Gefahr, denn politische Aktivitäten sind für Exilanten verboten, die Gestapo hat sie im Visier und Verrat lauert aus einer unerwarteten Richtung ...

"Alles, was ich bin" ist ein biographischer Roman um überwiegend reale historische Persönlichkeiten. Die Autorin hatte zudem das Glück, eine dieser Personen tatsächlich kennenzulernen und konnte ihren Roman auf den Erinnerungen von Ruth Becker aufbauen.

Die Ereignisse sind bedrückend und die Autorin vermag, die Verzweiflung der Beteiligten greifbar zu machen. Erschreckend ist dabei die Aktualität des Geschehens. Denn auch heute versuchen Exilanten auf die Situation in ihrem Heimatland aufmerksam zu machen und entweder interessiert es keinen oder es wird ihnen nicht erlaubt. Ruth, Dora und Toller gehen dabei sogar die Gefahr der Ausweisung ein und mit dem Wissen, was tatsächlich in den folgenden Jahren noch passiert, schüttelt man beim Lesen nur den Kopf ob des Bemühens Englands, ein gutes Verhältnis zu Deutschland und den Nazis aufrecht zu erhalten. Für die Exilanten ist die Bedrohung auch in England allgegenwärtig, denn die Gestapo tat damals nichts anderes als die Geheimdienste heute und war auch im Ausland aktiv. Verzweifelt versuchen die Figuren dieses Buches, Informationen aus Deutschland zu schmuggeln und gleichzeitig am Leben zu bleiben. Für einige endet es trotzdem tragisch.

Auch wenn ein echtes Leben keinem künstlerischen Spannungsbogen folgt, hat mich das Buch doch sehr gefesselt. Natürlich ist es eher ein Buch der ruhigeren Töne (obwohl die Charaktere alles andere als ruhig sind) und es gibt keine effektheischerische Spannung. Vielmehr macht das Buch deutlich, was Heldentum und Widerstandskampf sind und wie viel die Menschen dafür opferten. Und auch die wachsende Bedrohung und das perfide System der Nazis wird spürbar und deutlich. Viele politischen Details und Details in der Entwicklung der historischen Ereignisse habe ich durch dieses Buch sehr viel besser verstanden. Und schließlich ist da noch der Verrat, der selbst für mich beim Lesen niederschmetternd war (und der ebenfalls historisch belegt ist).

Mich hat dieses Buch sehr beeindruckt und jede Niederlage der Figuren hat mich tief getroffen. Und gleichzeitig hat mich die Mahnung berührt, auf die Stimmen von (auch heutigen) Exilanten zu hören.