ganz normale Helden

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miro76 Avatar

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In „Alles was ich bin“ erleben wir die letzten Wochen im Leben von Dr. Ruth Becker – Wesemann – Becker, eine alte an Demenz erkrankte Frau. In ihrer Jugend war sie gemeinsam mit ihrer Cousine Dora Fabian Mitglied der USDP, die sich den Nationalsozialisten entgegensetzten.
Der Reichtagsbrand zwang die ganze Gruppe ins Exil nach London, wo Dora Fabian sofort wieder im Untergrund mit ihrer Arbeit gegen die Nazis begann. Dora Fabian unterhielt eine langjährige Beziehung zu dem Schriftsteller Ernst Toller, der wegen seiner führenden Rolle in der Münchner Räterepublik und seiner revolutionär-sozialistischen Schriften ebenfalls ins Exil musste.
Ruth Becker erhält in ihren letzten Tagen ein Paket aus Amerika, welches das Originalmanuskript und handschriftliche Ergänzungen von Tollers „Eine Jugend in Deutschland“ enthält. So beginnt sie sich zu erinnern und erzählt uns den seltsamen Fall Dora Fabian und Mathilde Wurm.
Gleichzeitig lesen wir in einem zweiten Erzählstrang von Tollers Bemühungen seine Zeit mit Dora Fabian in Worte zu fassen und dadurch noch einmal zu erleben. Er lebt mittlerweile in Amerika und beendet seine Erinnerungen mit seinem Selbstmord.
Anna Funder gelingt es den Geist dieser Zeit sehr gut einzufangen und erzählt uns warmherzig und berührend vom Leben und den Ängsten der Exilanten und Widerstandskämpfer. So schreibt sie beispielsweise, als die Gestapo begann im Ausland zu morden: „Es gab immer wieder Punkte, an denen wir entscheiden mussten, ob die Gefahr, in der jemand schwebt, durch die Arbeit für unsere Sache gerechtfertig wurde.“
Ober später, als die Bedrohungen näher an Fabian und Becker rückten: „Vielleicht handelten wir inzwischen nicht mehr vernünftig, sondern nach Omen und Zeichen, wir kämpften gegen einem unsichtbaren Feind, der erbarmungslos war wie Gott.“
Anna Funder hat im Anhang ihre Quellen gut dokumentiert, und gibt auch an, was an ihrer Geschichte über die Tatsachen hinausgeht.
Für mich war das ein spannender, berührender und auch informativer Roman, denn über die Widerstandskämpfer vor Kriegsausbruch war ich sehr schlecht informiert. Im Angesicht der folgenden Gräueltaten Hitlers, sind jene zu Beginn seiner Amtszeit wohl untergegangen.