Geschichte aus dunklen deutschen Zeiten

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sago Avatar

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Dieser Roman atmet Authenzität, denn die Autorin Anna Funder erzählt hier die Geschichte ihrer Bekannten Ruth Blatt, der Cousine von Dora Fabian. Dora Fabian wiederum war die Sekretärin und wohl auch Geliebte des Revolutionärs Ernst Toller. Und so wird hier anhand dieses Personendreiecks ein Kapitel dunkelster deutscher Geschichte lebendig und ein Stück weit begreifbarer. Für zwei Personen diese Dreiecks endet sie tödlich, bekanntermaßen mit Tollers Selbstmord im Exil und auch mit Doras Tod, der von den Nazis als Freitod inszeniert wird. Nur Ruth ist es vergönnt, wirklich alt zu werden, nach den Jahren im Exil gründet sie eine zweite Existenz als Lehrerin in Australien. Doch die Ereignisse der NS-Zeit haben sie tief gezeichnet, vor allem der Verrat ihres Ehemannes Hans, der aus Geltungsdrang und Schwäche vom Regimekritiker zum Nazikollaborateur wird, und natürlich die Ermordung ihrer Cousine und besten Freundin Dora. Der Roman zeichnet sich durch zahlreiche Perspektivwechsel und Zeitsprünge aus und stellt daher gewisse Ansprüche an die Aufmerksamkeit des Lesers. Mir persönlich sind sowohl Toller als auch Dora, bei aller Verehrung durch Ruth, nicht so nahe gekommen, da sie mir nicht so sympathisch waren. Beide kennzeichnet bei aller Brillianz und allem Altruismus auch eine große Portion Rücksichtslosigkeit und auch Selbstherrlichkeit. Viel angenehmer war mir daher die ruhige und gutherzige Ruth. die der Leser bis zu ihrem Tod als sehr alte Frau begleiten darf. Auch die Liebesgeschichte zwischen Toller und Dora wird illusionslos dargestellt, handelte es sich hier doch um eine offene Beziehung, zumal Toller während ihrer Affäre eine andere heiratet. Viel mehr gelitten habe ich daher mit Ruth, habe ihre Angst selbst noch im Londoner Exil während der Jahre des geheimen Widerstandes mitempfunden und war wirklich erschüttert über den Verrat ihres Ehemannes Hans an ihr und dem gemeinsamen Kampf gegen Hitler. Allein in Australien hat dieser Roman sieben Literaturpreise bekommen. In meinen Augen wirklich verdient.