Galicische „Buddenbrooks“

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zauberberggast Avatar

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Warum ich diesen Roman mit dem großen Klassiker von Thomas Mann vergleiche? Nun ja, es ist ein opulentes Familiendrama, das die spanische Autorin Dolores Redondo hier zu Papier gebracht hat und es geht wie bei Mann um den neuzeitlichen Verfall einer Familie, die auf eine lange Tradition zurückblickt. Anders als bei dem Lübecker Nobelpreisträger geht es hier aber nicht um einen Kaufmannsclan, der der protestantischen Ethik verpflichtet ist, sondern um eine tief im katholischen Glauben verwurzelte Adelsfamilie, die gräflichen Muniz de Davila. In diese Familie hat der erfolgreiche Madrider Schriftsteller Manuel Ortigosa – ohne sein Wissen – eingeheiratet, sein Mann war der aktuelle Graf Alvaro. Alvaro lernt der Leser aber nur in der Reflektion der anderen Romanfiguren kennen, da er kurz vor Beginn der Handlung bei einem Autounfall ums Leben kommt…

Das Buch ist ein Krimi, der gleichzeitig Familienroman sowie Bildungs- und Entwicklungsroman ist. Es geht gewissermaßen um die Selbstfindung der Hauptfigur Manuel, die auch der fiktive Autor auf der Metaebene ist. In der Welt des Romans schreibt er das Buch, das wir gerade lesen. Die Geschichte um den vermeintlichen Verrat seines Ehemannes, der ein geheimes Doppelleben als Manager seiner Adelsfamilie führte, wird zur Geschichte seines Lebens, zum Roman von dem Alvaro wusste, dass er ihn schreiben könne, ohne natürlich von der Handlung zu wissen, die ohne seinen Tod nicht dieselbe wäre. Das ist die Tragik der Geschichte, denn erst durch die Aufarbeitung des Schicksals und Lebens von Alvaro, findet Manuel zu sich selbst und wieder zum Schreiben.

Die Erzählweise ist flüssig, die Sprache bildlich, die Charaktere geschliffen. Einzig die Handlung ist in mancher Hinsicht etwas überfrachtet und manche Personen, wie z.B. die alte Gräfin, sehr klischeehaft dargestellt. Es passiert bzw. passierte dieser adeligen Familie einfach so viel, dass so manch eine südamerikanische Telenovela vor Neid erblassen würde. Dass dies die Lesbarkeit des Romans aber in keinster Weise beeinträchtigt, spricht für die Qualität der Autorin und ihre Fähigkeiten, den Leser für die Geschichte einzunehmen. Ich habe mich bis zum Schluss unterhalten gefühlt – auch wenn ich manchmal ein Auge ob der Soaphaftigkeit der Handlung zudrücken musste.