Der Kalte Krieg und die Literatur

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Leerer Stern Leerer Stern
tochteralice Avatar

Von

"Doktor Schiwago" kennen die meisten von uns als wunderbaren Film: für mich gehört er zu meinen absoluten Tops und immer, wenn "Laras Lied" erklingt, lasse ich mich zum Mitsummen verführen. Ganz egal, wie schief und stümperhaft das auch klingen mag: ich fühle mich dann fast so, als wäre ich selbst im Film, als Statistin in einer Massenszene oder ähnliches. Natürlich mit mutigem Blick und furchtloser Haltung!

Weit weniger bekannt ist das Schicksal des Romans, der dem Autor Boris Pasternak 1958 zum Nobelpreis verhalf - zum Preis, den er nicht annehmen durfte. Denn sein Roman existierte offiziell in der Sowjetunion gar nicht - er war nur im Ausland veröffentlicht worden. Zunächst in Italien - Pasternak hatte sein Manuskript den Agenten des Verlegers übergeben Allerdings gab es bald auch eine Fassung in russischer Sprache, also im Original. Exemplare wurden auf der Weltausstellung in Brüssel an sowjetische Teilnehmer verteilt, in der Hoffnung, sie würden sie in der Heimat verbreiten können.

Dies alles ist wahr und an sich schon spektakulär genug. Autorin Lara Prescott kleidet diese Ereignisse in eine dramatische, aus mehreren Perspektiven erzählte Handlung, die im Osten, also im Umfeld von Pasternak und im Westen, in Kreisen des amerikanischen Geheimdienstes spielt.

Das Besondere: Es sind Frauen, die im Fokus stehen. In der Sowjetunion Pasternaks langjährige Geliebte Olga Iwinskaja, die seinetwegen Jahre im Gulag verbringen musste. Im Westen sind es Agentinnen, die in die Affäre Schiwago verstrickt werden und weitere Mitarbeiterinnen des Geheimdienstes. Und auch hier gibt es eine Liebesgeschichte. Aus meiner Sicht ist sie ziemlich überzogen.

Für mich wäre es etwas Besonderes gewesen, diese Geschichte, deren wahre Elemente bereits wahnsinnig viel Spannung beinhalten, zu entzerren, sie auf ihren Kern zu reduzieren und die Kraft der Sprache und der Poesie als wirkungsvolles Instrument einzusetzen.

Hier hat das Gegenteil stattgefunden und mir ist es eindeutig zu viel: zu viel Personal, zu viel Chichi, zu viel Nebensächliches. Es nimmt dem eigentlichen Ereignis, der Handlung um den Roman, eine ganze Menge weg. Was ich sehr schade finde, auch wenn der Roman dennoch interessant zu lesen ist.