Ein Leben für Olympia

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sursulapitschi Avatar

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Mit diesem Buch hat Charlotte Roth wieder einen Volltreffer gelandet. Es schüttelt den Leser kräftig durch und lässt ihn zurück mit einem dicken Kloß im Hals.

Einmal bei einer Olympiade starten, das ist der Traum eines jeden Sportlers und diesen Traum träumt auch Jennifer, deren Leidenschaft der Marathonlauf ist. Ihre Leistungen sind auf jeden Fall olympiareif, nur spielen ihr immer wieder ihre Nerven einen Streich in großen Wettkämpfen.
Jennifer hofft, hilfreiche Ratschläge von ihrer Urgroßmutter Alberta zu bekommen und fährt nach Stoke Mandeville. Alberta war in ihrer Jugend eine berühmte Bogenschützin. Damals, 1936, hat sie auch an der Olympiade in Berlin teilgenommen, als sich der Nationalsozialismus in Deutschland ausbreitete.

Hier kann man sehr intensiv miterleben, wie sich Ausnahmesportler fühlen, was sie antreibt, wie sie es schaffen, neben enormen sportlichen Ansprüchen ihr Privatleben zu meistern, wie Politik Wettkämpfe beeinflussen kann und wie es ist, wenn man es tatsächlich geschafft hat, Rekorde zu brechen: Für einen Moment ist die Welt ganz weit weg und man fühlt sich, als wenn einem der Himmel gehört.

Albertas Geschichte lässt einen den zweiten Weltkrieg aus einer ganz ungewöhnlichen Perspektive erleben. Sie zeigt, wie manch einer naiv die Situation verkannt hat, bis es zu spät war, wie Menschen die drohende Gefahr ignorierten und plötzlich ungewollt zum Instrument der Nazipropaganda werden konnten, wie die Welt auf einmal Kopf stand und jüdische Freunde zur Gefahr wurden.
Auch der Traum, an einer Olympiade teilzunehmen, ist am Ende fragwürdig, wenn jüdische Konkurrenten aussortiert werden. Es ist unfassbar, mit welcher Doppelmoral 1936 offiziell der olympische Gedanke der Völkerverständigung propagiert wurde, während hinter den Kulissen die Köpfe rollten und Truppen aufmarschierten.

In ihrer unnachahmlichen Sprache malt Charlotte Roth hier ein eindringliches Zeitportrait und erzählt gleichzeitig einige aufregende Lebens- und Liebesgeschichten. Man ist ganz nah dran, erlebt tragische Schicksale und große Glücksmomente mit Albi mit dem Bogen und Jennifer Juniper. Vielleicht wird man mit ihnen zusammen sogar ein klein wenig erwachsen.
Dieses Buch nimmt einen mit. Und am Ende stellt man mit einer Träne im Knopfloch fest, dass man so ganz nebenbei auch noch die Entstehung der paralympischen Spiele miterlebt hat. Nächstes Mal sehe ich sie mir an. Ganz bestimmt.