Das Foto meiner Mutter

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Im Diana Verlag erschien kürzlich das Buch "Mit nackten Händen" von Simonetta Greggio. Ich zögerte zunächst den Roman zu Lesen. Das Cover erschien mir zu kitschig und der Name Diana Verlag in Zusammenhang mit einem Liebesroman ließ Schlimmes ahnen. Ich wurde jedoch eines besseren belehrt. Es handelte sich um ein intelligentes Stück Prosa, wohltuend und nachhaltig. Das das hier vorgestellte Buch von Liz Murray "Als der Tag begann" ebenfalls in diesem Verlag erschienen ist, hat mich (das gebe ich zu) also schon vor der Lektüre der Leseprobe positiv gestimmt.

Liz ist sechzehn als sie über ihr bisheriges Leben zu berichten beginnt. Ein Jahr Jünger als ihre Mutter auf dem Foto von 1971. Zu diesem Zeitpunkt lebte die Mutter schon seit vier Jahren auf den Straßen von New York. Sie hatte die Obdachlosigkeit der Gewalt in ihrem Elternhaus vorgezogen. Schulabbruch, Drogenkarriere. Die Palette reicht weit und komplettiert sich, als sie Liz Vater kennenlernt. Zwölf Jahre älter und aus gutem Hause mit Studienabschluss landet auch er auf der Straße. Wenn auch aus anderen Gründen. Wo die Mutter vor dem schlagenden Vater geflohen ist, flieht er vor dem Dünkel und der Überheblichkeit des Bildungsbürgertums der Oberschicht. Kurz nacheinander werden die zwei Töchter Lisa und Liz geboren. Ein Familienleben der Improvisation, der Zerstörung durch Sucht, Kriminalität nimmt seinen Anfang. Liz lädt den Leser ein ihr auf dieser Achterbahnfahrt zu folgen, die viele Tiefen aber auch ihre Höhen menschlicher Nähe und Wärme hat.

Dieser autobiographische Roman überzeugt schon in der Leseprobe durch Aufbau und sprachlichen Ton. Ungekünstelt berichtet die Autorin von ihrem eigenen Leben, so wie es sich jetzt darstellt und wie es in der Vergangenheit mit den Eltern und der Schwester war. Man schwankt zwischen Fassungslosigkeit und Rührung. Bewundert die Offenheit. Mir ist beim Lesen oft der Gedanke an ein anderes, ähnlich schonungsloses Buch gekommen. "Die Asche meiner Mutter" von Frank McCourt. Wie Alkohol und Drogen eine Familie belasten und zerstören können, weiß man eigentlich. Dennoch ist es gut und wichtig immer wieder zu lesen was es wirklich bedeuten kann. Drogentote in der Statistik sind nicht mehr als dürre Zahlen, hier schreibt jemand der die nackten Fakten mit Leben und Farbe versieht.