Familiengeheimnisse

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herbstrose Avatar

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Um aus ihrer lieblosen Ehe auszubrechen flieht Juni in das Haus ihrer verstorbenen Großeltern und hofft, auf der kleinen der norwegischen Küste vorgelagerten Insel zur Ruhe zu kommen. Dort entdeckt sie beim Aufräumen ein Foto, das Großmutter Arm in Arm mit einem deutschen Soldaten zeigt. Als sie dann noch die Heiratsurkunde ihrer Großeltern findet wird ihr klar, dass in ihrer Familiengeschichte ein Geheimnis verborgen ist. War das vielleicht der Grund, warum ihre Mutter Lilla mit Großmutter immer Streit hatte? Und warum liebte es Großmutter Thekla so sehr, bei Regen im Freien zu tanzen? Junis Neugier ist geweckt, sie forscht weiter, unterstützt von Nachbar Georg. Die Spur führt die beiden nach Deutschland, wo sie auf die schrecklichen Nachkriegs-Ereignisse in der Stadt Demmin stoßen …
Die Autorin Trude Teige wurde 1960 in einem kleinen Ort an der Küste Norwegens geboren. Sie ist ausgebildete Übersetzerin und Journalistin und arbeitete viele Jahre als Reporterin, Nachrichtensprecherin und Programmmanagerin beim norwegischen Sender TV2. Als Schriftstellerin debütierte sie 2002 mit einem historischen Roman, in dem sie viele Erlebnisse ihrer Urgroßmutter verarbeitete. Das Original des Romans „Als Großmutter im Regen tanzte“ war bereits 2015 ein Bestseller in Norwegen, ist inspiriert von tatsächlichen Ereignissen und Menschen und wurde für den Bookstore-Preis nominiert. Trude Teige hat zwei Töchter und lebt in einem Vorort von Oslo.
Dass der Zweite Weltkrieg viel Leid über Europa brachte, dürfte allgemein bekannt sein. Dass aber auch norwegische Frauen, die sich in einen deutschen Besatzungssoldaten verliebten, Schreckliches durchmachen mussten, wusste ich bisher nicht. Von solch einem Schicksal erzählt dieser Roman, von Schande, Bloßstellung, Angst, Hoffnungslosigkeit, verdrängter Trauer und versuchtem Vergessen.
In sachlichem, beinahe als nüchtern zu bezeichnendem Schreibstil beschreibt die Autorin in zwei Zeitebenen abwechselnd Junis Suche nach der Wahrheit und Großmutter Theklas Erlebnisse im Nachkriegsdeutschland. Dabei schreckt sie auch vor gewalttätigen, brutalen Szenen nicht zurück und schildert diese ohne zu verurteilen. Wir erleben den Einzug der Roten Armee und erfahren vom Massensuizid in der Kleinstadt Demmin, bei dem sich aus Angst vor den russischen Soldaten mehrere Hundert Personen mit ihren Angehörigen das Leben nahmen. Die entsetzlichen Erlebnisse wirken nach und beeinflussen auch das Leben der nachfolgenden Generationen. Diese Einzelheiten lassen sich nur ertragen, weil wir immer wieder zur Enkelin Juni zurückkehren, sie bei ihren Recherchen begleiten, an ihrem neuen Leben auf der Insel teilhaben. Dass sie am Ende ein neues Glück findet, stimmt versöhnlich.
Fazit: Sehr gut recherchierte und spannend geschriebene Lebens- und Liebesgeschichte, bei der man viel über die unmittelbare Zeit nach Kriegsende erfährt – ein Buch, das noch lange nachhallt.